Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Flatbootmann

Titel: Der Flatbootmann
Autoren: Friedrich Gerstäcker
Vom Netzwerk:
1. Die Landung
    Den breiten, mächtigen Mississippi belebte im Monat Juni des Jahres 1850 eine außergewöhnlich große Anzahl von Booten, die alle die Produkte des Nordens den südlicher gelegenen Städten, wie der Hauptstadt Louisianas, New Orleans, entgegenführten.
    Der Sommer rückte weiter und weiter vor, und die unbehilflichen ›Flatboote‹, breite, lange, viereckige Kästen, die ganz von der Strömung abhängen, beeilten sich soviel als möglich, den Fluß hinabzukommen, um die südlichen Plätze noch vor dem Eintreten der ungesunden Jahreszeit zu erreichen und wieder verlassen zu können. Hier und da kamen die Boote einzeln herunter, die Leute faul auf dem leicht gerundeten Deck ausgestreckt und die Stunden in lässiger Ruhe verträumend. Dann und wann sah man aber auch ganze Trupps, von weitem einer Anzahl Schachteln nicht unähnlich, die von eines mutwilligen Knaben Hand dem Wasser preisgegeben worden. Und doch bergen diese von ungehobelten Planken roh genug hergestellten Fahrzeuge oft die wertvollsten Ladungen, von ihren Eigentümern leichtsinnig dem tückischen Strom anvertraut. Versichert war wenigstens keins derselben, und kamen sie glücklich an den Ort ihrer Bestimmung, so blieb ihm ein reicher Verdienst ziemlich gewiß. Hatten sie aber unterwegs ein Unglück, ei nun, so war das eben ein Fall, den niemand ändern konnte, und der frühere Eigentümer kehrte in seine Heimat zurück und begann dort mit seiner Arbeit von neuem, bis er ein anderes Boot unter den nämlichen Verhältnissen beladen konnte.
    Die Eigentümer dieser Boote sind teils Händler aus dem Norden, die von Farmern oder Kaufleuten die Waren und Produkte erst aufkaufen und dann eins oder mehrere dieser Boote zusammen den Strom viele hundert Meilen hinabführen; teils sind es aber auch die Farmer selber, die in ihrer Nachbarschaft nicht hohen Preis genug für ihr Getreide, oder was sie sonst gewonnen, lösen konnten, sich dann gewöhnlich selber ein solches Fahrzeug zusammenzimmern und nun vertrauensvoll dem Süden entgegenschwimmen.
    Sind es wirklich die Farmer, so laden sie gewöhnlich nur, was sie selber auf ihren Farmen erbaut oder produziert: Mais, Tabak, Kartoffeln, Äpfel, Pökelfleisch, Whisky, getrocknetes Obst, Zwiebeln usw., oft sogar lebendiges Vieh, wie Rinder, Schweine und Schafe.
    Die Händler dagegen begnügen sich nicht mit diesen Gegenständen. Außer solchen Produkten, die sie von den Farmern kaufen und bei denen der Whisky nicht selten eine Hauptrolle spielt, nehmen sie gewöhnlich noch Kattune, buntfarbige wollene und seidene Tücher, wollene Decken, Strohhüte, Pulver und Blei, ja nicht selten auch heimlicherweise Waffen mit, um sie im Süden an die Neger zu verkaufen. Allerdings ist es streng untersagt, den Sklaven Waffen und Munition wie auch Whisky zu überlassen, aber verbotener Handel bleibt auch fast stets der einträglichste, und das wußten die Yankee-Händler denn recht gut.
    Bargeld besaßen die Neger aber selten oder nie, und als Ausgleich für die erhaltenen Waren schleppten sie herbei, was sie ihr eigen nannten: Ferkel, Hühner, Truthühner, Eier usw., und was sie nicht selber hatten, stahlen sie eben in der Geschwindigkeit. Um einen Ausweg sind sie nur selten verlegen.
    Solch ein Händlerboot, das zum Unterschied von den übrigen eine kleine rotgrüne Fahne vorn an der Spitze führte, war denn auch gegen Abend in Sicht einer größeren Pflanzung am Mississippi gekommen, und der Ruf des Steuernden weckte die Schläfer an Deck. Solange diese Art Fahrzeuge der Strömung ruhig folgen und nichts Außergewöhnliches in ihrem Weg liegt, haben die Leute an Bord im breiten Strom wenig zu tun. Manchmal nur müssen sie wohl einer vorspringenden Landspitze oder einer Insel ausweichen, dann und wann vielleicht einmal aus dem Fahrwasser eines Dampfers zu kommen suchen, oder im Strom selber angeschwemmte und gefährliche Stämme vermeiden. Sonst bietet die Schiffahrt auf dem unteren Mississippi ihnen aber nicht viele Hindernisse, und nur abends, wenn sie anlegen wollen, bedarf es einiger Arbeit, um das schwerfällige Boot mit seinem breiten Bug gegen das Land zu und an einen sicheren, geschützten Platz zu rudern.
    Das geschah denn auch jetzt. Am rechten Ufer wurde eine große, weit ausgedehnte Plantage sichtbar, die mit ihrem weißen, wohnlichen Herrenhaus und einer Anzahl kleiner Negerhütten im Schatten fruchtschwerer Orangen- und Nußbäume lag, und der Yankee hatte sich bald einen Platz ausersehen, der ihm für
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher