Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das unsichtbare Volk

Das unsichtbare Volk

Titel: Das unsichtbare Volk
Autoren: Diethelm Kaminski
Vom Netzwerk:
wiedererkennen.“
    „Auch den Kopf
der Bande?“
    „Den habe ich
selber nicht zu Gesicht bekommen, aber mein Vater kennt ihn. Der kann ihn
beschreiben und identifizieren. Der wollte mich nämlich mit dem verheiraten.“
    „Und wenn Sie
sich alles nur ausgedacht haben?“
    „Hier ist der
Beweis. Ich bin Zeugin geworden, wie sie einem jungen Mädchen den Finger
abgeschnitten haben, nur um in den Besitz ihres Goldringes zu gelangen.“
    Mit diesen
Worten zog sie den blutverschmierten Finger aus der Tasche und legte ihn vor
dem verdutzten Beamten auf den Schreibtisch.
    „Worauf warten
wir“, rief der Polizist und drückte einen Alarmknopf. „Sie kommen mit und
führen uns an.“
    „Sie haben
meine Frage noch nicht beantwortet“, rief Vanja aus.
    „Welche
Frage?“
    „Nach der
Belohnung.“
    „Zehntausend
Rubel für Hinweise, die zur Festnahme der Täter führen“, zitierte er den Text
des Fahndungsplakats.
    „Die sind mir
sicher. Also, dann nichts wie los. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“
    Auf dem
Innenhof stand bereits eine Kolonne von acht oder neun Streifenwagen
abfahrbereit.
    Der Wagen des
Beamten, mit dem Vanja verhandelt hatte, setzte sich an die Spitze, und Vanja
wies ihnen den Weg.
    „Sie scheinen
unsere Stadt ja wie Ihre Westentasche zu kennen“, sagte der Polizist
anerkennend.
    „Das nicht
gerade. Aber ich habe mir den Weg gut gemerkt.“
    „So eine wie
Sie könnte ich gut als Mitarbeiterin gebrauchen“, sagte der Beamte. „Möchten
Sie nicht in den Polizeidienst eintreten?“
    „Da fehlen
mir, glaube ich, die erforderlichen Abschlüsse, aber könnten Sie zufällig eine
Frau gebrauchen, die Ihnen immer den richtigen Weg weist? Sind sie verheiratet?
Immerhin würde ich eine stattliche Mitgift mit in die Ehe einbringen. Der
Beamte schaute Vanja voller Wohlgefallen von der Seite an und schmunzelte
vergnügt, sagte aber nichts, sondern summte leise die Melodie des derzeit beliebtesten
Ohrwurms im Lande, in die er nach der zweiten Wiederholung die Worte einfügte:
„Sag ja, sag ja, o Bräutigam, ich denke, dass diesmal die Richtige kam.“
    „Aber erst
einmal muss ich heil von diesem gefährlichen Einsatz zurückkommen“, flüsterte
er leise.
    „Das wirst
du“, machte Vanja ihm Mut. „Mit einer Frau an deiner Seite, die fast die Braut
eines Gangsters geworden wäre, kann dir nichts Böses geschehen.“
    (nach dem
gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm)

Die Wettermacherin
     
     
     
    Petrus bemerkte allmählich, dass er
auch nicht mehr der Jüngste war. Die Menschen bekamen es zu spüren, weil er
immer häufiger vergaß, das Wetter in manchen Regionen umzustellen, was unmäßig
lange Dürre- oder Regenperioden zur Folge hatte. Er war immer schlecht im Delegieren
gewesen, aber so konnte es nicht weitergehen, das hatten seine treuen Fans
nicht verdient. Er musste abgeben. Es reichte, wenn er das globale
Wettergeschehen im Auge behielt und lenkte, das regionale Wetter mochten andere
machen. So konnten Fehlentscheidungen nur einen begrenzten Schaden anrichten.
Petrus gab seinen Mitarbeitern, die bisher, ohne jede eigene
Entscheidungsbefugnis, nur Wetterdaten gesammelt hatten, den Befehl, Land für
Land, Ort für Ort nach geeigneten Menschen Ausschau zu halten, die ihn beim
Wettermachen unterstützen sollten. „Zuverlässig, dynamisch, schauspielerisch
begabt“, legte er die Auswahlkriterien fest.
    „Weiblich oder
männlich?“
    „Am liebsten
weiblich.“
    „Und warum?“
    „Weil Frauen
die besseren Schauspielerinnen sind.“
    Die Mitarbeiter
wunderten sich über das dritte Kriterium und fragten nach.
    „Meine Helfer
dürfen nicht wissen, was sie tun, sonst kommen sie auf dumme Gedanken. Das
Wetter muss unabsichtlich geschehen. Deshalb werde ich es an ihre
Gefühlsäußerungen knüpfen. Und Frauen zeigen nun mal die stärkeren
Gefühlsbewegungen. Bei Männern würde das Wetter schnell langweilig werden.“
    „Und machen
wir vorab eine Schulung?“
    „Nur das
nicht, dann wüssten ja alle, wo und wie der Hase läuft, und das sollen sie eben
nicht.“
    Petrus´
Mitarbeiter schwärmten aus in alle Himmelrichtungen, um
Wettermacherassistentinnen ausfindig zu machen, die die vorgegebenen Kriterien
erfüllten, eine Aufgabe, deren Erledigung Monate dauerte, aber sie nahmen die
Mühen gerne auf sich, weil Fernreisen tausendmal aufregender waren, als Tag für
Tag am Wolkenschreibtisch Wetterdaten auszuwerten.
    In dem kleinen
Heideort Unterhasenbüttel fiel die Wahl auf die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher