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Das unsichtbare Buch

Das unsichtbare Buch

Titel: Das unsichtbare Buch
Autoren: Santiago García-Clairac
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ergänzt einer seiner Freunde.
    »Das wollen wir doch mal sehen! Fangen wir gleich damit an«, erwidere ich.
    Lorenzo traut seinen Ohren nicht. Ich ziehe mir den Anorak aus und lasse ihn zusammen mit meiner Tasche zu Boden fallen.
    »Ich bin bereit!«, schreie ich. »Los, kommt her!«
    Sie weichen einen Schritt zurück.
    »Was ist, ihr Superhelden? Drei gegen einen! Habt ihr etwa Angst vor mir?«
    Ich bin echt wütend. Und ich glaube, das merken sie auch.
    »Ich hab keine Angst vor euch!«, schreie ich. »Wem wolltet ihr das Leben zur Hölle machen, he?«
    Sie rühren sich nicht vom Fleck. Anscheinend sind sie gar nicht so mutig, wie sie immer tun.
    »Mach doch nicht gleich so’n Stress«, beruhigt mich Lorenzo, als er merkt, dass es nicht so läuft, wie er gedacht hat.
    Sieht aus, als wollten sie den Rückzug antreten.
    Ich bin drauf und dran, mich damit zufriedenzugeben. Doch dann überlege ich es mir anders. Ich gehe auf Lorenzo zu und baue mich vor ihm auf.
    »Schwöre mir, dass du mich von jetzt an in Ruhe lässt!«, fordere ich ihn auf. »Schwöre es!«
    Er blickt zu seinen Freunden, doch die sehen weg.
    »Schwör es, oder ich …«
    »Ist ja gut«, beruhigt er mich. »Reg dich ab, Mann …«
    »Schwöre es!«, wiederhole ich nachdrücklich und gehe noch weiter auf ihn zu.

    »Schon gut, schon gut … Ich lass dich von jetzt an in Ruhe«, verspricht er. Aber das reicht mir noch nicht.
    »Du sollst es schwören!«
    »Also gut, ich schwöre es«, erklärt Lorenzo schließlich und hebt die rechte Hand. Dann dreht er sich um und verschwindet zwischen den Jungen und Mädchen, die mittlerweile einen Kreis um uns gebildet haben.
    Mir zittern die Knie und die Hände. Meine Ohren sind feuerrot, mein Herz rast. Bestimmt werde ich gleich ohnmächtig oder so. Meine Kehle ist völlig ausgetrocknet, ich könnte kein einziges Wort mehr herausbringen.
    Und ich weiß noch immer nicht, woher ich diesen Mut genommen habe.
    »Du bist ja ein richtiger Held«, sagt jemand hinter mir.
    Ich drehe mich um und erblicke Lucía.
    »Hab alles gesehen«, sagt sie. »Ich bin richtig stolz auf dich.«
    Ich kann noch immer nichts sagen, sehe sie nur dankbar an. Schweigend gehen wir in die Klasse und setzen uns auf unsere Plätze. Nach einer Weile schiebe ich ihr einen Zettel zu, auf dem steht:»Mein Vater hat uns für heute Nachmittag zum Eis eingeladen.«
    »Ich freue mich sehr«, flüstert sie ganz leise, nachdem sie meine Botschaft gelesen hat. »Das wird bestimmt supercool.«
    Ich habe das Gefühl, dass es dieses Jahr besser für mich läuft. Zum ersten Mal gehe ich gerne zur Schule. Ich glaube, das habe ich Lucía zu verdanken …
    Nach dem Unterricht sind Lucía und ich die Ersten, die die Klasse verlassen. Wir rennen die Treppe hinunter, überqueren den Schulhof und sind in null Komma nichts in der Eisdiele.
    Papa sitzt bereits an einem der Tische am Fenster.
    »Guten Tag, Señor Durango!«, ruft Lucía.
    »Hallo, Kinder!«, begrüßt uns mein Vater.
    Wir setzen uns. Der Tisch ist mit Blättern übersät.
    »Hast du was geschrieben?«, frage ich ihn.
    »Ja, ich bin schon den halben Tag hier. Und ich muss sagen, ich habe sehr viel geschafft.«
    Lucía und ich sehen uns an. Wir brennen darauf, ihn nach dem Unsichtbaren Buch zu fragen, doch wir beherrschen uns.
    »Was darf ich den Herrschaften bringen?«, fragt in diesem Moment der unfreundliche Kellner.
    »Wie immer: zwei Vanilleeis mit Schokolade und je einer Kirsche«, bestelle ich.
    »Kommt sofort.«
    »Und vergessen Sie nicht die Kirschen, die sind das Wichtigste«, füge ich spöttisch hinzu.
    Der Kellner will sich schon entfernen, als mein Vater sagt:
    »Bringen Sie mir auch eins. Und auch mit einer Kirsche, ja?«
    »Ja, Señor.«
    Als wir wieder alleine sind, zwinkert Papa mir zu.
    »Soll ich euch vorlesen, was ich heute geschrieben habe?«
    »Gerne!«, ruft Lucía begeistert.
    »Ja, das wäre schön«, sage ich.
    Papa lächelt zufrieden, nimmt die Seiten vom Tisch und ordnet sie.
    »Also dann, hört gut zu!
    Nach zwei Tagen landeten Hanna, Sigfrido und Nasshan am Ufer eines breiten, reißenden Flusses. Der Jäger hatte sie in ein Tal gebracht, das zwischen hohen grünen Bergen lag.
    ›Dies ist der Ort, von dem ich euch erzählt habe‹, sagte er. ›Hier seid ihr außer Gefahr und könnt euer Rätsel lösen. Viel Glück!‹
    Nachdem sich Nasshan herzlich von ihnen verabschiedet hatte, stieß er das Boot vom Ufer ab und verschwand mit kräftigen Ruderschlägen im
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