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Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin

Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin

Titel: Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Autoren: Sarah Lark
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Langsam senkte sich die Dämmerung über die Berge und die See. Die Sonne, die jetzt, im Winter, ohnehin nicht hoch am Himmel gestanden hatte, ließ sich gelassen ins Meer gleiten, während ihre letzten Strahlen den majestätischen Mount Taranaki in rotgoldenes Licht tauchten.
    Die Spitze des Berges war schneebedeckt und bildete eine beeindruckende Kulisse für das Dorf Parihaka.
    Wie ein Wächter, pflegte Atamaries Mutter zu sagen, wir freuen uns an seiner Schönheit und fühlen uns sicher in seinem Schatten.
    Atamarie fand das manchmal ein bisschen befremdlich – schließlich lernte sie in der Schule, dass der Mount Taranaki ein Vulkan war und keineswegs ein friedlicher! Vor hundertfünfzig Jahren war er das letzte Mal ausgebrochen, und theoretisch konnte das jederzeit wieder passieren. Ihre Mutter winkte jedoch ab, wenn Atamarie ihr das vorhielt. Aber nein, Atamarie, die Götter werden jetzt Frieden halten, die Zeit der Kriege ist vorbei, sagte sie. Und dann erzählte sie Atamarie und den anderen Kindern die Legende rund um den Gott des Mount Taranaki, der sich mit einem anderen Berggott um die Liebe einer Waldgöttin stritt. Die Göttin Pihanga entschied sich schließlich für seinen Rivalen, und Taranaki zog sich nach dem Kampf mit den anderen Berggöttern verärgert an die Küste zurück. Damit kam der Krieg in ihre Welt und auch in die der Menschen. Aber es gab Hoffnung. Irgendwann würde Taranakieinlenken, und wenn die Götter sich dann wieder vertrugen, konnten auch die Menschen mit dauerhaftem Frieden rechnen.
    Die meisten Kinder lauschten diesen Geschichten mit offenen Mündern und voller Ernst, aber Atamarie interessierte sich eigentlich mehr für die vulkanische Aktivität des Mount Taranaki und ihre Auswirkungen auf das Land. Ihre Lieblingsfächer in der Otago Girls’ School in Dunedin waren Mathematik, Physik und Geografie. Für romantische Geschichten war eher ihre Freundin Roberta zuständig.
    Insofern hatte Atamarie auch an diesem Abend wenig Sinn für die Erzählungen und Lieder der alten Menschen in Parihaka, die den Kindern von der Sternkonstellation berichteten, die sich in dieser oder einer der nächsten Nächte am Himmel zeigen sollte: von Matariki – den Augen des Gottes Tawhirimatea – oder von einer Mutter mit sechs Töchtern, auf dem Weg, der erschöpften Sonne zu helfen, sich nach dem Winter erneut zu erheben … Für Atamarie waren es einfach die Plejaden, die jeden Winter um diese Zeit am Himmel über Neuseeland in Sicht kamen. Sehr nützlich zur Bestimmung der Wintersonnenwende und früher auch für die Navigation auf dem Meer zwischen Hawaiki, der ursprünglichen Heimat der Maori, und Aotearoa, dem Land, in dem sie heute lebten und das die Weißen Neuseeland nannten. Und sehr hübsch anzusehen natürlich am nächtlichen Himmel. Die Magie der Sterne erschloss sich Atamarie allerdings nicht, und den Sagen und Märchen rund um Matariki lauschte sie stets nur mit halbem Ohr.
    Dafür interessierte sie sich umso mehr für die Funktion der Erdöfen, welche die Bewohner Parihakas zuvor mit Gemüse und Fleisch befüllt hatten. Dies gehörte zur Zeremonie des Neujahrsfestes, das die Maori beim Auftauchen der Plejaden Ende Mai oder Anfang Juni begingen.
    Atamarie linste begeistert in die glühend heißen Höhlen, welche die Männer schon am Vormittag ausgehoben hatten. Hangi nutzten die vulkanische Aktivität des Taranaki zum Garen der Speisen. Man wickelte Fleisch und Gemüse in Blätter, legte sie in Körbe und stellte sie auf die kochend heißen Steine. Anschließend wurden sie mit nassen Tüchern bedeckt, und dann verschloss man die Grube mit Erde. Im Laufe der nächsten Stunden sollten die Speisen garen – und möglichst genau dann fertig sein, wenn das Sternbild Matariki am Himmel aufleuchtete.
    Atamarie sah genauso begierig nach den Sternen aus wie die anderen Kinder. Sie freute sich auf das Fest, schließlich war sie extra dafür aus Dunedin auf die Nordinsel gekommen. Wobei natürlich nicht sicher war, dass die Plejaden sich wirklich während der kurzen Winterferien zeigen würden. Aber Matariki und Kupe, Atamaries Mutter und ihr Stiefvater, hatten es darauf ankommen lassen.
    »Du musst das Neujahrsfest mal in Parihaka erleben!«, hatte Matariki, die nach dem Sternbild benannt worden war, geschrieben. Viele Maori-Namen bezeichneten ursprünglich Naturphänomene – Atamarie hieß nach dem Sonnenaufgang. »Es hat hier einen besonderen Zauber.«
    Atamarie verdrehte ein bisschen
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