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Das Todeskreuz

Titel: Das Todeskreuz
Autoren: Andreas Franz
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erscheint mir nach der ersten Leichenschau eher
unwahrscheinlich. Es ist ziemlich warm hier drin, zweiundzwanzig
Grad, und ihre Temperatur beträgt immerhin noch knapp
dreiundzwanzig Grad.«
    »Hat die was in ihrem Mund?«, sagte Durant mit gerunzelter
Stirn und beugte sich ein wenig weiter nach vorn. »Kannst du
mal gucken? Ich glaub, da ist was drin.«
    Andrea nickte wortlos, nahm eine Pinzette - die Kieferstarre
hatte sich bereits gelöst -, drückte den Unterkiefer hinunter und
zog ein sauber gefaltetes Stück Papier heraus. Sie sah Durant an
und sagte: »Soll ich oder willst du?«
    »Mach du.«
    Andrea faltete das Papier auseinander, schüttelte kaum merklich
den Kopf und reichte es gleich darauf Durant. Sie las und
murmelte: »Confiteor - Mea Culpa. Kannst du mir das mal übersetzen?
«
    »Wieso? Kein Latein gehabt?«, fragte Andrea mit regungsloser
Miene.
    »Schon, ist aber 'ne Ewigkeit her. Mea Culpa, meine Schuld,
das ist ein gängiger Begriff. Aber Confiteor?«
    »Confiteor heißt >Ich bekennen Hat eine christliche Bedeutung,
aber frag mich um Himmels willen nicht nach Details, ich
hab seit Ewigkeiten keine Kirche betreten. Auf dem Zettel steht
aber wortwörtlich »Ich bekenne - meine Schuld«. Ich frag mich
nur, warum das mit Bindestrich geschrieben wurde. Naja, mehr
kann ich dir dazu leider nicht sagen. Aber wenn wir die Aufbahrung
und das seitenverkehrte Kreuz auf dem Rücken hinzunehmen,
muss es einen christlichen oder zumindest religiösen Bezug
haben, wobei sie allem Anschein nach aber ein böses Mädchen
gewesen war. Fragt sich nur, was dieses böse Mädchen getan hat,
wofür es sich mehr unfreiwillig bekennt, und was seine Schuld
ist. Aber darüber muss ich mir ja zum Glück nicht den Kopf zerbrechen,
das überlass ich deinen kleinen grauen Zellen.«
    »Na sauber! Wer vollzieht ein solches Ritual und warum?«
    Durant sah Andrea Sievers fragend an.
    »Kein Kommentar. Lass mich meine Arbeit zu Ende bringen,
und dann ab mit ihr in die heiligen Hallen der Ruhe und des Friedens.
«
    »Okay. Aber die Sittler hat Besuch gehabt, und es muss jemand
gewesen sein, den sie kannte ...«
    »Naja, ich würde nicht jeden in mein Schlafzimmer lassen«,
meinte Sievers ernst, »es sei denn, es ist jemand, den ich kenne
oder von dem ich möchte, dass er in mein Schlafgemach kommt.
    Und sie scheint sich mit jemandem verabredet zu haben. Dafür
sprechen die Gläser, die Flasche Champagner und ihre Aufmachung.
    Es sollte wohl ein höchst erotischer Abend werden. Auch
ist es eher ungewöhnlich, dass sich jemand in ihrem Alter im Intimbereich
komplett rasiert. Ob sie wenigstens vorher noch ein
bisschen Spaß hatte, werde ich dir mitteilen.«
    Durant betrachtete die beiden Gläser mit zusammengekniffenen
Augen und sagte: »An einem ist Lippenstift, und aus dem
andern wurde, wenn ich das richtig sehe, nicht getrunken. Oder
es wurde ausgewaschen und wieder hingestellt.«
    Hellmer kam mit einem Mal herein und blieb vor dem Bett
stehen. »Wieso hat mir keiner gesagt, dass wir weitermachen?«,
fragte er vorwurfsvoll, eine Hand in der Hosentasche.
    »Wir dachten, du hättest mitbekommen, wie unser Fotomensch
das Haus verlassen hat«, erwiderte Durant nur.
    »Hab ich nicht, weil ich mich mit der Tochter der Verblichenen
unterhalten habe. Zumindest hab ich's versucht.«
    »Ohne mich?«
    »Ohne dich.«
    »Und was heißt, du hast es versucht?«
    Hellmer winkte ab. »Die ist nur am Flennen. Du kannst ja
gleich mal dein Glück versuchen.«
    »Vielleicht mag sie dein Eau de Toilette nicht«, bemerkte Durant
ironisch.
    Ohne darauf einzugehen, fragte Hellmer: »Und was gibt's hier
Neues?«
    »Sie ist seit etwa zwei Tagen tot, die Todesursache«, sagte
Andrea Sievers und schüttelte den Kopf, »die kann ich noch nicht
bestimmen. Wie immer sie auch umgekommen ist, das werden
wir wohl erst bei der Obduktion feststellen.«
    »Was bleibt denn noch? Gift?«, fragte Durant.
    »Vielleicht«, hielt sich Andrea Sievers bedeckt. »Es gibt etliche
Möglichkeiten, jemanden ins Jenseits zu befördern, ohne
dass es äußere Spuren hinterlässt. Vielleicht hat ihr jemand was
ins Glas getan.« Sie untersuchte die Tote mehrere Minuten lang,
bis sie den Kopf schüttelte und sagte: »Ich kann auf den ersten
Blick auch keine Einstiche erkennen.« Doch nach einer kurzen
Pause: »Moment, hier haben wir was. Eine winzig kleine Punktion,
kaum sichtbar. Hier, sieh selbst«, sagte sie zu Durant und
deutete auf
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