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Das Todeskreuz

Titel: Das Todeskreuz
Autoren: Andreas Franz
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oder einem weichen Pulli zum Dienst (wobei sie mit
einem gewissen Vergnügen und Stolz registrierte, wie viele Kollegen
sich die Köpfe nach ihr verdrehten, obwohl sie bereits
zweiundvierzig war), auch wenn sie weiterhin die meiste Zeit
Jeans und Tennisschuhe oder Sneakers trug, weil diese Kleidung
bei der Ermittlungsarbeit einfach bequemer war. Nur waren es
nicht mehr ausschließlich Bluejeans, sondern auch schwarze
oder beigefarbene, sogar eine dunkelgrüne war darunter, denn sie
hatte auch ihren Kleiderschrank ausgemistet und sich in den vergangenen
Monaten allmählich komplett neu eingekleidet; lediglich
ein paar wenige Sachen hatte sie behalten, Dinge, von denen
sie sich nicht trennen wollte oder konnte.
    Sie gönnte sich zudem den Luxus, einmal im Monat eine Kosmetikerin
aufzusuchen, und war sie in den letzten Jahren faul
gewesen, was ihre körperliche Fitness betraf, so hatte sie sich im
Januar in einem Fitness-Studio speziell für Frauen angemeldet
und besuchte es, sooft es ihre Zeit erlaubte, und das war in der
Regel dreimal in der Woche.
    Es tat ihr einfach gut, sie hatte die Veränderung gewollt und
durchgezogen. Nur die Haare hatte sie sich nicht abschneiden
lassen wie so viele Frauen, nachdem sie Enttäuschungen mit ihren Partnern erlebt hatten. Ihre Frisur war noch immer die gleiche,
nur eben mit ein paar Strähnchen versehen.
    Nach ihrem letzten Fall, der ihr - und nicht nur ihr - enorm an
die Nieren gegangen war, musste sie den Vorschriften gemäß in
einigen Sitzungen mit einer Polizeipsychologin über das Geschehene
sprechen, wobei diese ihr immer wieder einzureden versuchte,
dass sie bestimmt schwer traumatisiert sei. Doch Julia
fühlte sich weder traumatisiert noch in irgendeiner anderen Weise
schlecht, sie war nicht depressiv oder melancholisch und hatte
nach der fünften Sitzung genug von dem sinnlosen Gequatsche
und brach die sogenannte Therapie ab, nicht ohne vorher jedoch
die Zustimmung von Berger eingeholt zu haben. Sie hatte überlegt,
eine Kur zu beantragen, um einmal aus Frankfurt herauszukommen
und sich verwöhnen zu lassen, aber dieser Gedanke war
zu flüchtig, als dass sie ihn zu Ende gedacht hätte. Eine Kur, womöglich
mit alten Leuten, die nichts anderes zu tun hatten, als
über ihre Wehwehchen zu klagen, das war nichts für sie. Doch
vielleicht hatte sie auch nur das Klischee einer Kur vor Augen,
denn sie hatte noch nie eine Kurklinik oder ein Kurhotel von innen
gesehen. Trotzdem, sie würde es nicht machen, eventuell in
zehn oder fünfzehn Jahren. Es war die Wohnung und vor allem
ihr Leben, das eine Kur brauchte, und dafür musste sie sich nicht
allen möglichen ärztlichen Behandlungen unterziehen und sich
einem geregelten Tagesablauf unterwerfen.
    Ihre Kollegen waren erstaunt über die Verwandlung, aber keiner
von ihnen hatte bisher eine abwertende oder gar abfällige
Bemerkung darüber gemacht. Im Gegenteil, alle schienen begeistert
von der neuen Julia Durant zu sein, obwohl diese Verwandlung
nur äußerlich war. Innerlich hatte sie sich kaum verändert.
Sie hatte über einiges nachgedacht, angefangen Tagebuch
zu schreiben, und sie hatte sich gefragt, warum sie solches Pech
mit Männern hatte. Antworten hatte sie jedoch keine gefunden.
Und sie hatte sich zu Silvester vorgenommen, ihren Zigarettenkonsum allmählich zu reduzieren, auch in Stresssituationen nicht
gleich zur Zigarette zu greifen, was ihr bislang erstaunlich gut
gelungen war. Die letzte Schachtel hatte sie sich vor vier Tagen
gekauft, und noch immer befanden sich drei Zigaretten darin.
Und sie war sicher, in den nächsten Tagen oder Wochen ganz
ohne Nikotin auszukommen. Sie war stolz, diesen Vorsatz so gut
umgesetzt zu haben, und sie hatte nicht vor, noch einmal in das
alte Verhaltensmuster zu verfallen. War das vergangene Jahr zum
Ausklang ziemlich schlecht verlaufen, so hatte das neue mit dem
genauen Gegenteil begonnen. Und sie hatte sich noch etwas vorgenommen.
Sie würde nie wieder den Fehler begehen und auf
Gedeih und Verderb einen Mann suchen, sondern die Dinge nur
noch auf sich zukommen lassen. In einem langen Gespräch an
Weihnachten mit ihrem Vater in ihrem Heimatort bei München
hatte sie zum ersten Mal begriffen, dass es ihr nichts brachte, mit
dem Kopf durch die Wand zu wollen. Sie war nicht der Typ dafür,
denn auch bei ihren Ermittlungen ließ sie sich sehr oft von ihrer
Intuition leiten. Nur im Privatleben hatte sie diese Intuition meist
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