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Das Todeskreuz

Titel: Das Todeskreuz
Autoren: Andreas Franz
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unterdrückt, diese innere Stimme, die ihr gleich zu Beginn sagte,
was gut und was schlecht für sie war. Sollte sie eines Tages doch
noch den Richtigen finden, dann würde sie ihn auch erkennen.
    Sie war fast fertig mit der Arbeit und beschloss, den Pflanzen
auf dem Fensterbrett noch ein bisschen Wasser zu geben und sich
danach ein Bad einlaufen zu lassen. Anschließend würde sie etwas
Leckeres essen, ein oder zwei Bier trinken und die Nachrichten
und den Tatort schauen. Sie nahm die Kanne in die Hand und
war bereits am Wasserhahn, um sie zu füllen, als das Telefon
klingelte.
    »Ja?«
    »Fritsche, KDD. Sorry für die Störung, aber wir haben eine
Tote in Berkersheim.«
    »Hm. Wie ...«
    »Komm her und mach dir selbst ein Bild. Wir haben alles so
gelassen, wie es vorgefunden wurde. Ist kein schöner Anblick,
das kann ich dir gleich sagen.«
    »Gib mir mal die Adresse, ich bin in spätestens einer halben
Stunde da.« Sie schrieb mit und fragte dann: »Ist schon jemand
anders benachrichtigt worden? Spurensicherung, Arzt und so
weiter?«
    »Nein, ich dachte, du würdest dir das vielleicht erst mal anschauen
und ...«
    »Okay. Wer hat in der Rechtsmedizin Bereitschaft?«
    »Dr. Sievers.«
    »Verständige sie bitte. Und die Spusi soll sich auch schon mal
bereithalten. Bis gleich.«
    Sie legte den Hörer auf, stellte die Blumenkanne wieder zurück
und rief Hellmer an. Nadine war am Apparat. Ihre Stimme
klang nicht gut, wie so oft in den letzten Monaten. Traurig, resigniert,
und Julia Durant kannte den Grund dafür, aber sie konnte
ihr nicht helfen. Mit ihr reden schon, allerdings hatte es in der
letzten Zeit kaum eine Gelegenheit gegeben, sich auszutauschen.
Nadine war zu oft mit Marie-Therese unterwegs. Im Februar und
März war sie ganze sieben Wochen in einer Spezialklinik in den
USA gewesen und mit der Hoffnung zurückgekehrt, dass der
Kleinen doch geholfen werden könnte. Es würde mehrere hunderttausend
Dollar kosten, vielleicht sogar mehr als eine Million,
einiger Operationen und sehr vieler Therapien bedürfen, um dem
blinden, tauben und stummen Mädchen mit Hilfe modernster
Medizintechnologien wenigstens einen Teil ihres Augenlichts,
ihres Gehörs und damit auch ihrer Sprache zu geben. Das hatte
Nadine ihr erzählt, und es war einer der wenigen Momente, in
denen ihr Gesicht wieder jenen lebensbejahenden Ausdruck
hatte, den Julia von ihr gewohnt war und um den sie sie beneidete
- strahlende Augen, ein Lächeln um ihren schönen Mund. Sie
hatten zwei Stunden zusammengesessen, aber sich in dieser Zeit
fast ausschließlich über Marie-Therese unterhalten. Dabei hätte
Julia gerne auch über Frank mit ihr gesprochen, doch sie hatte
gespürt, dass Nadine dazu nicht bereit war. Noch nicht. Ihre ganze
Konzentration galt Marie-Therese und auch Stephanie, und je
mehr ihr Mann sich von der Familie entfernte, desto stärker
opferte sich Nadine für die Kinder auf. Frank und Nadine lebten
noch in einem Haus, aber wenn es so weiterging, würde einer von
beiden über kurz oder lang an der Situation zerbrechen. Und wie
sie Frank und Nadine kannte, würde es Frank sein, der in absehbarer
Zeit in einen tiefen Abgrund stürzen würde. Er war ein
eher labiler Mensch, einer, der seine Ordnung brauchte, dem das
Chaos, in dem er sich befand, zunehmend über den Kopf wuchs,
der es aber nicht fertigbrachte, seine alte Ordnung wiederherzustellen.
Manchmal wünschte sie sich, sie wäre irgendwo allein
mit ihm und er hätte keine Chance, ihr zu entkommen, bis sie ihm
klargemacht und er begriffen hatte, wo sein Zuhause war. Aber
natürlich würde dieser Moment nie eintreten, weshalb sie diese
Gedanken auch immer schnell wieder verwarf. Er war alt genug,
um über sein Leben selbst zu bestimmen.
    Frank Hellmer war nicht mit in die Staaten geflogen, obwohl
Berger es ihm nicht nur angeboten, sondern geradezu ans Herz gelegt
hatte, er könne Urlaub nehmen, bezahlten oder unbezahlten
(was er sich leicht hätte leisten können), doch nur Julia Durant
kannte den wahren Grund, warum er in Frankfurt geblieben war.
Sie verstand ihn nicht und würde es nie tun, war Nadine doch nicht
nur eine äußerst attraktive und schöne Frau, sondern auch eine, die
immer zu ihm gehalten hatte, die als junge, aber schwerreiche Witwe
einen vergleichsweise armen Polizisten geheiratet hatte, der
jeden Monat zwei Drittel seines Gehalts an seine Ex und die drei
gemeinsamen Kinder überweisen musste. Für
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