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Das Todeskreuz

Titel: Das Todeskreuz
Autoren: Andreas Franz
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begonnen hatte. Julia war siebzehn
und er fast zwanzig. Zwei Jahre später hatte sie ihr Abi in der
Tasche, bewarb sich für die Polizeischule und wurde angenommen.
Tausend Gedanken auf einmal schossen ihr durch den Kopf,
auch solche, die mit ihrem geschiedenen Mann zu tun hatten. Sie
wollte Kinder, er trieb sich lieber in fremden Betten rum. Und
nun war sie in Frankfurt, und ihr Leben hatte einen Verlauf genommen,
den sie sich so nie vorgestellt hatte. Der Moderator gab
nach dem Song noch einen Kommentar zu Kim Wilde ab, ein
paar Sätze über ihre Laufbahn und dass sie vorhabe, ein neues
Album zu produzieren.
    Die Straßen waren wie üblich am Sonntagabend relativ leer,
so dass sie bereits nach zwanzig Minuten an der angegebenen
Adresse eintraf. Am Bürgersteig parkten zwei Streifenwagen und
ein Alfa Romeo. Es war ein großes villenähnliches Haus im Norden
von Frankfurt, weiß mit einem glänzenden dunkelblauen
Dach, der Vorgarten gepflegt, vom Tor zum Eingang waren es
etwa zehn Meter. Sie wies sich aus und wurde durchgelassen.
Fritsche, ein großgewachsener, sehr schlanker, fast asketisch wirkender
etwa vierzigjähriger Mann mit Dreitagebart und einer Nickelbrille
auf der langen, schmalen Nase, kam an die Tür und
reichte Durant die Hand. Sie kannten sich schon seit Jahren und
lächelten sich an, auch wenn es bei ihm stets etwas verkniffen
aussah. Er war einer der führenden Köpfe beim Kriminaldauerdienst,
geschieden, drei Töchter, die jüngste gerade einmal drei
Jahre alt. Die Ehe war, wie Durant erfahren hatte, an Fritsches
Arbeit kaputtgegangen. Seine Frau hatte irgendwann die Nase
voll von den ewigen Überstunden, dem Alleinsein, dem Warten
und der Angst, ihr Mann könnte eines Tages nicht mehr zurückkehren.
So hatte sie den für sie befreienden Schritt getan und sich
von ihm getrennt. Aber Fritsche war nur einer unter vielen Kollegen, denen es so erging. Und wenn Hellmer nicht aufpasste, würde
er sich in der Reihe der im Privatleben gescheiterten Polizisten
wiederfinden.
    »Sie liegt im ersten Stock, im Schlafzimmer. Ich hoffe, du hast
einen guten Magen«, sagte er mit sonorer Stimme.
»So schlimm?«
    »Na ja, für Zartbesaitete nicht gerade das ideale Unterhaltungsprogramm
«, bemerkte er trocken.
    »Ich bin einiges gewohnt«, entgegnete sie lapidar und musste
unwillkürlich an den erst kürzlich abgeschlossenen Fall denken,
wo der Mörder seine Opfer auf geradezu bestialische Weise abgeschlachtet
hatte. Seitdem gab es nichts mehr, was sie erschüttern
konnte.
    Sie zog sich die obligatorischen Handschuhe und die blauen
Plastikgamaschen an, betrat mit Fritsche das Schlafzimmer, in
dem es unangenehm roch, nach einsetzender Verwesung, und
Durant wusste, was Fritsche gemeint hatte, als er fragte, ob sie
einen guten Magen habe. Die Rollläden waren heruntergelassen,
die Vorhänge zugezogen, ein Kronleuchter mit vielen verspielten
Details spendete helles Licht. Es war ein etwa dreißig Quadratmeter
großer Raum, das Bett war überdimensional groß, wie eine
Spielwiese für ausgefallene Spielchen, dicker fast weißer Teppichboden
schluckte jeden Schritt, ein mindestens vier Meter breiter
und etwa zweieinhalb Meter hoher weißer Schrank mit feinen
Intarsien in den Spiegeln und an den Umrandungen war die zweite
Auffälligkeit, die dritte ein Glastisch mit zwei champagnerfarbenen
Ledersesseln daneben. Auf dem Tisch standen zwei Champagnergläser,
eine Flasche Dom Perignon in einem eigens dafür
vorgesehenen Kübel, das Eis darin war längst geschmolzen. Im
Aschenbecher waren ein paar ausgedrückte Zigarettenkippen, auf
den beiden Nachtschränkchen Fotos, unter anderem von vermutlich
der Frau auf dem Bett und zwei weiteren Personen. An der
Wand links von der Tür hing ein überdimensionaler Plasmafernseher, der ein halbes Vermögen gekostet haben musste, und darunter
befand sich in einem offenbar eigens dafür angefertigten Regal
eine hochwertige Hi-Fi-Anlage. Erst jetzt bemerkte Durant auch
die auf dem von ihr aus gesehen rechten Nachtschränkchen liegenden
Fernbedienungen für die Geräte.
    Die Tote lag genau in der Mitte des Betts auf dem Bauch. Sie
war bis auf ein Paar halterlose blaue Strümpfe nackt, die Beine
eng aneinandergelegt, die Arme jedoch ausgestreckt im rechten
Winkel zum Körper. Sie hatte fast schwarze, glatte und schulterlange
Haare, ihr Gesicht war nicht zu erkennen. Die Fingernägel
waren in dezentem Rot lackiert, die Haut
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