Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Teufelsspiel

Das Teufelsspiel

Titel: Das Teufelsspiel
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
wird mein Gegenangebot annehmen. Er hatte eindeutig Bedenken, an einen Neger zu verkaufen, aber als ich sagte, ich könne in bar bezahlen und brauchte keinen Schuldschein, schien das seine Zweifel zu zerstreuen.
    Banknoten sind die besten Gleichmacher. Warst du gestern genauso tief bewegt wie ich, als in der Zeitung zu lesen stand, dass unser Land ein Gesetz über die Bürgerrechte erlassen hat? Sind dir die Einzelheiten aufgefallen? Das Gesetz garantiert allen Bürgern ungeachtet ihrer Hautfarbe den Zugang zu jeglichen Wirtshäusern, öffentlichen Transportmitteln, Theatern und dergleichen. Was für ein bedeutender Tag für unsere Sache! Über genau dieses Gesetz haben Charles Sumner, Benjamin Butler und ich letztes Jahr ausführlich korrespondiert, und ich glaube, dass einige meiner Vorschläge es bis in den Text dieses wichtigen Dokumentes geschafft haben.
    Wie du dir vorstellen kannst, hat diese Neuigkeit mich auch an die furchtbaren Ereignisse vor sieben Jahren gemahnt: an den Diebstahl unseres Eigentums in Gallows Heights und die Haft unter so erbärmlichen Bedingungen.
    Und dennoch – nun, da ich in unserem kleinen Haus vor dem Kamin sitze und die Nachricht aus Washington D.C. überdenke, kommt es mir so vor, als hätten diese schrecklichen Vorfälle sich in einer gänzlich anderen Welt zugetragen. Auf ähnliche Weise sind mir die Stunden des blutigen Kampfes im Krieg oder die schweren Jahre der erzwungenen Knechtschaft in Virginia zwar auf immer gegenwärtig, doch zugleich auch irgendwie sofern wie die verworrenen Bilder eines halb vergessenen Albtraums. Vielleicht gibt es in unseren Herzen ein gemeinsames Behältnis für sowohl die Verzweiflung als auch die Hoffnung, und sobald es mit einem davon gefüllt wird, bleibt von dem anderen nur noch eine vage Erinnerung. Heute Abend ist in mir nichts als Hoffnung.
    Du weißt, dass ich mir schon vor Jahren geschworen habe, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um nicht mehr mit dem Schandmal des Dreifünftelmannes leben zu müssen. Wenn ich daran denke, welche Blicke man mir wegen meiner Hautfarbe immer noch zuwirft und wie andere sich mir und unserem Volk gegenüber verhalten, so sind wir wohl noch ein Stück weit von diesem Punkt entfernt. Aber ich möchte behaupten, dass es sich bis zur Vollwertigkeit allenfalls noch um ein Zehntel handelt (James hat herzlich gelacht, als ich heute beim Abendessen darauf zu sprechen kam). Ich vertraue weiterhin darauf, dass wir beide noch zu Lebzeiten als ganze Menschen gelten werden, spätestens aber Joshua und Elizabeth.
    Nun, meine Liebste, muss ich mich von dir für heute verabschieden und den morgigen Unterricht vorbereiten. Träumt süß, ihr drei. Ich zähle die Stunden bis zu eurer Rückkehr. Dein dich liebender Charles
    Croton am Hudson
    2. März 1875
     
    »Das klingt, als hätten Douglass und die anderen ihm den Raub verziehen«, sagte Rhyme. »Oder sie sind zu dem Schluss gelangt, dass er unschuldig war.«
    »Auf welches Gesetz bezieht er sich?«, fragte Sachs.
    »Auf den Civil Rights Act von 1875«, sagte Geneva. »Darin wurde die Rassendiskriminierung in Hotels, Restaurants, Zügen, Theatern und anderen öffentlichen Orten untersagt.« Sie schüttelte den Kopf. »Leider war das Gesetz nicht von Dauer. Es wurde im folgenden Jahrzehnt durch den Supreme Court für verfassungswidrig erklärt. Danach hat man auf Bundesebene fünfzig Jahre lang kein einziges Gesetz zum Schutz der Bürgerrechte mehr erlassen.«
    »Ich frage mich, ob Charles dieses Gerichtsurteil noch erlebt hat«, sagte Sachs. »Es dürfte ihm nicht gefallen haben.«
    Geneva zuckte die Achseln. »Ich glaube, es wäre nicht so schlimm für ihn gewesen. Er hätte es bloß als vorübergehenden Rückschlag empfunden.«
    »Die Hoffnung wäre stärker als der Schmerz gewesen«, sagte Rhyme.
    »Ganz bestimmt«, sagte Geneva. Dann sah sie auf ihre abgenutzte Swatch. »Ich muss zurück zur Arbeit. Dieser Wesley Goades … Also irgendwie ist er komisch. Er lächelt nie, sieht einen nie an … Und man kann einen Bart doch wohl gelegentlich stutzen, oder?«
     
    Als Rhyme und Sachs an jenem Abend nebeneinander im Bett lagen und aus dem dunklen Zimmer hinauf in den Nachthimmel sahen, stand dort eine dünne Mondsichel, die eigentlich in kaltem Weiß hätte funkeln müssen, doch dank irgendeines Phänomens der Atmosphäre golden wie die Sonne strahlte.
    Mitunter redeten sie in solchen Momenten, mitunter nicht. Diesmal schwiegen sie.
    Draußen auf dem Fenstersims
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher