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Das Teufelsspiel

Das Teufelsspiel

Titel: Das Teufelsspiel
Autoren: Jeffery Deaver
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noch einmal das Wort. »Geneva, bitte warten Sie. Hören Sie, es tut mir Leid, was ich vorhin gesagt habe. Ehrlich. Es war … unangemessen. Ich bedaure aufrichtig, was Ihnen und Ihrem Vorfahren zugestoßen ist. Und ich habe bei meinem Vorschlag durchaus Ihre Interessen im Sinn: Bitte bedenken Sie, dass eine außergerichtliche Einigung mit Abstand das Beste für Sie und Ihre Angehörigen wäre. Lassen Sie sich von Ihrem Anwalt schildern, wie hart ein solcher Prozess sein würde, wie langwierig und wie teuer.« Er lächelte. »Vertrauen Sie mir. Wir stehen in diesem Punkt auf Ihrer Seite.«
    Geneva musterte ihn eingehend. »Die Kämpfe sind die gleichen wie immer«, sagte sie. »Es ist bloß schwieriger geworden, den Feind zu erkennen.« Dann wandte sie sich ab und ging hinaus.
    Der Anwalt hatte eindeutig keine Ahnung, wovon sie sprach.
    Was die Wahrheit ihrer Äußerung nur umso nachdrücklicher bestätigte, dachte Rhyme.
     
     

 … Vierundvierzig
     
    Es war Mittwochmorgen und die Herbstluft so kalt und klar wie frisches Eis.
    Geneva hatte soeben ihren Vater im Columbia Presbyterian Hospital besucht und befand sich nun auf dem Weg zur Langston Hughes Highschool. Der Aufsatz über Home to Harlem war fertig und sie recht zufrieden mit dem Ergebnis, denn das Buch hatte sich als gar nicht mal so schlecht herausgestellt (obwohl sie sich trotzdem lieber mit Octavia Butler beschäftigt hätte; o Mann, diese Frau konnte schreiben!).
    Am besten aber war, dass Geneva den Text am Computer geschrieben hatte, einem der Toshibas in Mr. Rhymes Labor. Thom hatte ihr gezeigt, wie das funktionierte. Die wenigen intakten Computer der Schule waren ständig dermaßen überbelegt, dass man höchstens eine Viertelstunde daran arbeiten konnte. Das reichte natürlich nicht für einen Aufsatz.
    Wenn sie bei Mr. Rhyme etwas herausfinden oder recherchieren wollte, musste sie lediglich das Textverarbeitungsprogramm »minimieren« und den Internetzugang aufrufen. Ein Wunder. Wofür sie andernfalls zwei Tage benötigt hätte, ließ sich auf diese Weise in wenigen Stunden bewerkstelligen.
    Sie wechselte die Straßenseite und steuerte auf das Gelände der PS-288-Grundschule zu. Wenn man quer über den Schulhof ging, konnte man den Weg zwischen der Haltestelle an der Achten Avenue und der Langston Hughes Highschool um ein paar Minuten abkürzen. Der Maschendrahtzaun warf einen Gitterschatten auf den fahlen grauen Asphalt. Das schmale Mädchen schob sich mühelos durch den Torspalt, der schon vor langer Zeit so weit aufgebogen worden war, dass ein halbwüchsiger Junge und ein Basketball hindurchpassten. Es war noch früh, der Hof menschenleer.
    Nach drei Metern ertönte hinter ihr eine Stimme.
    »He, Kleine!«
    Sie drehte sich um.
    Auf der anderen Seite des Zaunes stand Lakeesha auf dem Gehweg. Sie trug eine enge grüne Stretchhose und eine lange orangefarbene Bluse. Die Büchertasche hing von ihrer Schulter herab, der Modeschmuck und die Zöpfe glänzten in der Sonne. Ihre Miene war genauso ernst wie in der vorigen Woche, als Geneva sie zuletzt gesehen hatte, kurz bevor die verrückte Schlampe Frazier auf sie und ihren Vater losgegangen war. »He, Mädchen, wo hast du gesteckt?«
    Keesh beäugte zweifelnd die Lücke im Zaun; sie war viel zu eng für sie. »Komm mal her.«
    »Wir sehen uns in der Schule.«
    »Nein, ich möchte allein mit dir sprechen.«
    Geneva überlegte. Das Gesicht ihrer Freundin verriet ihr, dass es um etwas Wichtiges ging. Sie schlüpfte durch die Lücke zurück auf die Straße. Dann schlenderten die beiden Seite an Seite weiter.
    »Wo bist du gewesen, Keesh?«, fragte Geneva stirnrunzelnd. »Hast du den Unterricht geschwänzt?«
    »Mir geht’s nicht gut.«
    »Hast du deine Tage?«
    »Nein, das ist es nicht. Meine Mutter hat mir eine Entschuldigung geschrieben.« Lakeesha sah sich um. »Wer war dieser alte Kerl, mit dem du neulich herumgehangen hast?«
    Geneva öffnete den Mund, um zu lügen, und sagte stattdessen: »Mein Vater.«
    »Nein!«
    »Doch.«
    »Hast du nicht erzählt, er würde in Chicago wohnen oder so?«
    »Meine Mutter hat mich angelogen. Er war im Knast. Vor einer Weile wurde er freigelassen und ist hergekommen, um mich zu suchen.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Im Krankenhaus. Er wurde verletzt.«
    »Geht’s ihm schon besser?«
    »Ja. Er kommt wieder auf die Beine.«
    »Und verstehst du dich mit ihm?«
    »Mal abwarten. Ich kenne ihn ja kaum.«
    »O Mann, das muss ganz schön seltsam gewesen sein, als er
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