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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage
Autoren: Isabel Allende
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in die Tüte. Ich habe gerade erst mit dem Schreiben begonnen, und wüßte nicht, was wir mit dir anfangen sollten, wenn du nicht schreiben würdest, du wärst nicht auszuhalten.«
    »Im Ernst. Ich arbeite seit einer Ewigkeit. Ich brauche ein Sabbatjahr.«
    »Was wir machen: Wir lassen alles ruhiger angehen.«
    Aufgeschreckt von der Drohung, daß ich mir ein Jahr der Untätigkeit vorstellen konnte, beschloß Willie, mich zu einem Urlaub in die Wüste einzuladen. Er dachte, eine Woche Nichtstun in der Ödnis werde mich wieder zur Vernunft bringen. Das Hotel, laut Reisebüro ein Haus der Spitzenklasse, entpuppte sich als in die Jahre gekommenes Etablissement, in dem sich Toulouse-Lautrec wohl gefühlt hätte. Hingekommen waren wir über einen nicht enden wollenden schurgeraden Highway, durch eine nackte, nur von sattgrünen Golfplätzen gesprenkelte Landschaft, die unter einer weißen, gleißenden, selbst um acht am Abend noch sengenden Sonne flirrte. Kein Lüftchen regte sich, kein Vogel war zu sehen. Jeder Tropfen Wasser mußte von weither gebracht werden, und daß überhaupt etwas wuchs, war der Kraftanstrengung unauffälliger mexikanischer Gärtner zu verdanken, die das komplexe Getriebe eines vorgespielten Paradieses am Laufen hielten und abends wie Spukgeister verschwanden.
    Zum Glück zeigte Willie gegenüber den staubigen Draperien im Hotel eine allergische Reaktion, die ihn fast umgebracht hätte, und wir mußten uns etwas anderes suchen.So gelangten wir zu einigen sonderbaren Thermen, von denen wir noch nie gehört hatten und wo unter anderem Schlammbäder angeboten wurden. In tiefen Eisenbottichen ruhte eine zähe, stinkende Masse, aus der kleine Bläschen aufstiegen. Eine Mexikanerin, untersetzt, das Haar von einer billigen Dauerwelle verbrannt, führte uns durch die Anlage. Sie war nicht älter als zwanzig, überraschte uns aber mit ihrer Kühnheit.
    »Wozu ist das gut?« fragte ich sie auf spanisch und zeigte auf den Schlamm.
    »Keine Ahnung, so was gefällt den Amis.«
    »Sieht aus wie Kacke.«
    »Es ist Kacke, aber nicht von Menschen, sondern von Tieren«, sagte sie ungerührt.
    Das Mädchen ließ Willie nicht aus den Augen, und als wir schon gehen wollten, fragte sie ihn, ob er William Gordon sei, der Anwalt aus San Francisco.
    »Erinnern Sie sich nicht mehr an mich? Ich bin Magdalena Pacheco.«
    »Magdalena? Wie du dich verändert hast!«
    »Das macht nur die Dauerwelle«, sagte sie und wurde ganz rot.
    Die beiden umarmten einander freudestrahlend. Magdalena war die Tochter von Jovito Pacheco, der vor Jahren bei einem Sturz von einem Baugerüst ums Leben gekommen war. Am Abend aßen wir zusammen in einem mexikanischen Restaurant, in dem ihr älterer Bruder Socorro Herr über die Herdplatten war. Er war verheiratet und hatte bereits sein erstes Kind, einen drei Monaten alten Jungen, der nach dem Großvater Jovito hieß. Der andere Bruder arbeitete weiter im Norden, im Napatal im Weinbau. Magdalena hatte einen Freund aus El Salvador, der als Automechaniker arbeitete, und erzählte, daß sie heiraten würden, sobald die Familie einen Termin fände, um sich in Mexiko zu treffen, denn sie hatte ihrer Mutter versprochen, in Weiß und imKreis der ganzen Familie zu heiraten. Willie versprach ihr, daß wir ebenfalls kommen würden, wenn sie uns einluden.
    Die Pachecos erzählten, ihre Großmutter habe zwei Jahre zuvor eines Morgens tot im Bett gelegen, und sie hatte eine Beerdigung wie aus einem Roman bekommen, in einem Mahagonisarg, den die Enkel in einem Pick-up aus San Diego gebracht hatten. Offenbar hatten sie keine Schwierigkeiten, die Grenze in die eine und die andere Richtung zu überqueren, selbst mit einer schweren Kiste für einen Toten nicht. Die Mutter betrieb einen kleinen Lebensmittelladen und lebte mit dem jüngsten Sohn zusammen, dem blinden, der auch schon vierzehn war. Auf dem Weg zum Restaurant hatte Willie mir den Fall Pacheco noch einmal ins Gedächtnis gerufen, der sich über Jahre in San Francisco durch etliche Instanzen geschleppt hatte. Ich konnte mich noch daran erinnern, weil wir uns oft über Willies hochtrabenden Satz in seinem Schlußplädoyer amüsiert hatten: »Wollen Sie zulassen, daß der Anwalt der Verteidigung diese arme Familie auf die Müllhalde der Geschichte wirft?« Danach hatte Willie wieder und wieder Berufung eingelegt und am Ende eine bescheidene Entschädigung für die Familie erstritten. In seiner Zeit als Anwalt hatte er manches kleine Vermögen vor die Hunde
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