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Beruehmt und beruechtigt

Beruehmt und beruechtigt

Titel: Beruehmt und beruechtigt
Autoren: Cecily von Ziegesar
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1 Eine Waverly-Eule ist immer höflich, selbst zu Leuten, die ihr absolut fremd sind
    Tinsley Carmichael warf noch einen Blick zurück auf den glitzernden Hudson River. Das orangefarbene Wasserflugzeug ihrer Familie erhob sich soeben dröhnend in den azurblauen Himmel und machte es fix: Sie war wieder zurück, auf der Waverly-Akademie, diesem exklusiven Internat im Staat New York, aus dem man sie im letzten Herbst rüde rausgeworfen hatte. Wie ein Blitzlichtgewitter klang das Klick-Klick ihrer Bleistiftabsätze auf den Stufen von Haus Dumbarton, und Tinsley konnte die Blicke ihrer Mitschülerinnen spüren, die von oben aus den Wohngruppenfenstern auf sie herabspähten. Sie schüttelte ihre violettschwarzen Haare, drehte ihren Fans die Schokoladenseite ihres Gesichts zu und rüstete sich schon auf ihre gierigen Fragen: Oh mein Gott, wo hast du gesteckt? Wie kommt’s, dass du wieder da bist? Hatte man dich nicht rausgeschmissen? Warst du auf Reha? Stimmt es, dass du damit gedroht hast, Stansfield abzufackeln? Und schließlich: Warum hast nur du Ärger bekommen und Callie und Brett nicht?
    Tinsley wollte alles abstreiten und zugleich die Gerüchteküche richtig schüren. Besonders bereitwillig wollte sie die Theorie unterstützen, sie hätte den Kopf für Callie und Brett hingehalten, nachdem alle drei mit E erwischt worden waren. Das war am Ende ihres zweiten Highschool-Jahres gewesen. Ihre zwei besten Freundinnen würden mehr als nur geschockt sein, sie wiederzusehen. Mit keiner von beiden hatte Tinsley während des langen Sommers gesprochen, und sie hatte keinen blassen Schimmer, warum ausgerechnet sie und nur sie wegen des »Vorfalls« der Schule verwiesen worden war. Es sei denn, eine der beiden anderen hatte sie verpfiffen. Aber nachdem dieser Sommer – und was für ein phänomenaler Sommer – nun vorüber und sie wieder aufgenommen war, war Tinsley großzügig gestimmt. Sie war bereit, zu vergeben und zu vergessen, solange Callie und Brett sich ausgiebig und überschwänglich bei ihr entschuldigten und ihr angemessen in den Hintern krochen.
    Die gepflegten efeubewachsenen Gebäude und ins gewellte Grün gebetteten Sportanlagen ließen die Waverly-Akademie wie eine Bilderbuchversion des Brown- oder Princeton-College aussehen. Als Tinsley die Korridore von Dumbarton entlang auf Zimmer 303 zustöckelte, stiegen ihr der Kokosduft von Callies Bumble & Bumble Conditioner und ihr Babyparfüm Le Petit Prince in die Nase, die sich mit dem abgestandenen Mief von Parliament-Zigaretten mischten. Sie lächelte bei der Vorstellung, was gleich passieren würde: Sie würde in ihr Dreibettzimmer spazieren und sich auf ihr altes Bett werfen, wie sie es immer getan hatte, wenn eine lange, öde Vorlesung in Hunting Hall durchgestanden war oder die Mathestunde bei Mr Farnsworth. Callie würde ihren kleinen rosigen Mund aufsperren und etwas Cooles von sich geben wollen, aber die Worte würden ihr im Hals stecken bleiben. Brett würde verwundert und erstaunt und völlig sprachlos sein. Dann würden beide Mädchen wie kleine Ferkel quieken und Tinsley ihre schlanken Arme um den Hals schlingen. Nun, so ungefähr stellte Tinsely es sich zumindest vor.
    Sie schob sich die weiße Kunststoff-Fliegerbrille ins Haar und rückte ihre Hobo-Tasche aus Naturleder zurecht. Chiedo hatte sie für sie angefertigt, während sie in der Nähe von Kapstadt auf Safari gewesen waren. Die Erinnerung an den Sommer in Südafrika löste ein Kribbeln in ihrer Brust aus – die Partys in CapeRave mit Chiedo und seinen Freunden, der Sonnenaufgang über dem Tafelberg und Wo ich war, würde ich nicht hin zurückkehren , der eindringliche Dokumentarfilm über die Menschen in Südafrika, den sie und ihr Vater im Lauf des Sommers gedreht hatten. Sie berührte ihre Halskette aus Haifischzähnen (auch von Chiedo, dem süßen Chiedo), warf das lange, glänzend schwarze Haar über die Schultern und riss die Tür zu ihrem alten Zimmer auf. Trara!
    Das Schweigen, das sie erwartet hatte, war verblüffte Sprachlosigkeit – und nicht die Wo-zum-Teufel-stecktenalle-Stille, die sie jetzt umfing. Wo zum Henker waren die Mädels? Tinsley blickte sich um: Durch das große Flügelfenster sah sie den glitzernden Hudson River, auf Bretts Kommode stand ihr blau-weißes Strandbild von Nantucket, der Boden neben Callies Bett war übersät mit leeren Cola- light -Dosen und der Aschenbecher auf der Fensterbank quoll über vor Parliament-Kippen. Aber von Callie und Brett keine
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