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Das sechste Herz

Das sechste Herz

Titel: Das sechste Herz
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Marionetten eigenständig handeln. Zwar hatte ich zu dem Zeitpunkt schon begonnen, André Mann zu präparieren, damit er Studers Aufgabenfeld übernehmen konnte, wenn die Zeit reif dafür war, aber eigentlich schien er mir noch nicht so weit zu sein. Leider nützte das alles nichts, mir fehlte die Zeit für langwierige Schulungen des neuen Probanden.
    Studer bekam seine letzten Aufträge. Er hatte schon vorher ein Glas mit Marks Fingerabdrücken aus dessen Praxis entwendet und sollte nun den plötzlichen Wunsch nach einem Gespräch mit seinem Therapeuten verspüren, um Material mit Mark Grünthals DNA zu besorgen. Als er schließlich mit zwei benutzten Tempotaschentüchern aus dem Papierkorb und ein paar Haaren von Marks Mantelkragen wiederkam, war er endgültig entbehrlich geworden. Alles Weitere konnte André Mann erledigen.
    Ich habe Studer angerufen und ihm gesagt, neue Aufträge warteten auf ihn und dass es etwas zu feiern gäbe. Er solle zum nächstgelegenen Supermarkt fahren und Alkohol kaufen. Man würde später anhand des Kassenbons in seiner Wohnung sehen können, dass er den Schnaps, der ihn umbringen würde, selbst gekauft hatte. Finden Sie mich genial? Ich auch.
    Studer hatte jahrelang ein ernsthaftes Alkoholproblem gehabt, um es mal vorsichtig auszudrücken. Das, was er in seiner Garage noch zu tun hatte, war Schwerstarbeit. Warum nicht vorher ein Gläschen zur Entspannung? Was der Gute dabei jedoch verdrängt zu haben schien: Ein einziger Rückfall konnte ihm den Garaus machen, zumal, wenn er nach einigen Gläsern die Beherrschung verlor und sich ins Koma trank. Und so ist es ja dann auch gekommen, nicht wahr?
    Während Studer wie aufgetragen, Lisas Leiche in Eilenburg entsorgte und dann mit den Vorbereitungen für unsere kleine Feier beschäftigt war, bin ich nach Taucha gefahren. Nicht ohne vorher noch ein Set aus zwölf Gläsern zu kaufen, wie sie Mark Grünthal in seiner Praxis für die Patienten verwendete. Wie gut, dass er diese billige Marke bevorzugte! Eins habe ich unterwegs entsorgt – so würde das Glas mit Marks Fingerabdrücken perfekt zu den anderen elf passen. Der Rest ist Geschichte. Ich fuhr zurück nach Berlin, gab am nächsten Morgen den Betreibern der Kiesgrube vor Ort einen anonymen Hinweis auf die Leiche der kleinen Lisa, damit man sie und nachfolgend den toten Studer recht schnell finden würde, und machte mich wieder an die Arbeit.
    Leider entpuppte sich André Mann gleich bei der ersten Aufgabe als Stümper. Beim Auftrag, ein Mädchen zu entführen und es zu töten, um an ein weiteres Herz zu gelangen, ist ihm dieser Anhänger mit den Initialen des Opfers im Kofferraum durch die Lappen gegangen, das zweite hat er gar entkommen lassen. Dazu kam, dass er ohne mein Wissen die Opfer stets an der gleichen Stelle suchte – auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt. Angeblich, weil es bei den Menschenmassen dort am einfachsten war! Das mit Marks Tempotaschentüchern und den Haaren bei der sechsten Leiche hat er allerdings super hinbekommen.
    Zum Glück war die Siebte – Vanessa hieß sie, glaube ich – nicht in der Lage, ihren Entführer zu identifizieren. Aber das passte gut, schließlich saß Mark ja schon ordentlich in der Klemme.
    Schade, dass Marks Frau bei unserem Handgemenge nur einen Streifschuss abbekommen hat. Ich hätte besser üben müssen. Aber eigentlich war das Ganze ja so auch nicht geplant gewesen. Ursprünglich sollte die Frau die Kinder fesseln, damit ich zuerst den Jungen und das Mädchen und dann sie erschießen konnte. Die Ehefrau des Serienmörders hat dem Druck nicht mehr standgehalten und die Kinder »mitgenommen«. So etwas kommt vor.
    Eine Hauruck-Aktion, klar, aber nachdem diese eingebildete Journalistin und ihr Kollege schon so viel herausgefunden hatten, musste ich mir etwas einfallen lassen. Ich konnte doch nicht riskieren, dass sie Mark aufgrund der Recherchen dieser zwei Zeitungsleute wieder freiließen, ohne dass er vorher auch nur ein bisschen gelitten hätte. Den Tod von Frau und Kindern zu verkraften hielt ich für eine angemessene Aufgabe für einen überheblichen Mann wie ihn.
    Aber es gibt ja noch André Mann. Er soll sich bloß vorsehen, dass sie ihn nicht schnappen da draußen. Wenn er mitdenkt, kommt er in einer guten Verkleidung zum Prozess. Ich jedenfalls würde ihn erkennen, so viel ist sicher. Vielleicht finden wir eine Möglichkeit, schon dort miteinander in Kontakt zu treten. Später kann er mir Briefe ins Gefängnis schicken.
    Und Magnus
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