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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul
Autoren: Jörg Fauser
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anfangen soll. Ich trug meine übliche Kluft, dunkles Hemd, dunkle Hose, weißer Lederschlips und die maßgeschneiderte Lederjacke, die mir immer noch eine Nummer zu groß ist. Meine Stiefel waren nicht geputzt, und das Hemd war auch nicht gerade frisch, aber ich hatte mich rasiert, und es gibt Frauen, die finden, ich sehe erst gut aus, wenn ich drei Tage durchgemacht habe. Schließlich sagte sie:
    »Haben Sie die Jacke jemandem abgenommen?«
    »Ja, aber bei einem Pokerspiel.«
    »Ich hatte das Gefühl, daß Sie wie ein Spieler aussehen.«
    »Kennen Sie viele?«
    »Einige schon, Herr Harder. Ich spiele selbst ganz gern. Allerdings nicht Poker, sondern Roulette.«
    »Dazu braucht man ein ziemlich hohes Startkapital.«
    »Braucht man das nicht immer im Leben? Ich habe Sie noch gar nicht gefragt, was Sie trinken möchten.«
    »Ein Glas Milch wäre mir recht.«
    »Milch?«
    »Kein Alkohol bei der Arbeit, ist mein Prinzip. Und Milch hat einen höheren Nährwert als Kaffee.«
    »Sie können soviel Milch bekommen, wie Sie wollen.«
    Sie besorgte mir einen Krug, sich selbst mischte sie einen Campari-Soda. Ich bot ihr eine Zigarette an, aber sie schüttelte lächelnd den Kopf. Die Sonne spielte mit ihrem Haar, und sie spielte mit ihren Perlen, und sie sah aus wie ein Titel für eine der smarten Frauenzeitschriften – oder wie eine Million, an die man noch schwerer rankam als an die auf der Bank.
    »Darf ich fragen, wie alt Sie sind, Herr Harder?«
    »Sagen Sie einfach Harder. Ich bin achtunddreißig, einsachtzig groß, wiege ohne Socken 84 Kilo, geschieden, ein Kind, rauche 30 bis 40 Zigaretten am Tag, trinke außer Milch am liebsten Wodka, habe keine abgeschlossene Schul- oder Hochschulbildung, spreche mangelhaft Englisch und genug Französisch, um notfalls zurechtzukommen, habe mir meine Brötchen immer selbst verdient, wie, wissen Sie schon. Ach ja: vorbestraft.«
    »Warum?«
    »Trunkenheit am Steuer, und dann habe ich mal einen Polizisten verprügelt. Seitdem habe ich eine Brücke oben rechts und manchmal eine Hörschwäche im rechten Ohr, aber das kann auch Einbildung sein.«
    »Und das hat Ihnen beruflich nicht geschadet?«
    »Warum sollte es? Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.«
    Sie nickte, als hätte sie das auch schon immer vermutet.
    »Lebt Ihr Kind bei der Mutter?«
    »Anna? Sie besucht ein Internat in England. Sie ist jetzt zwölf.«
    »Ist das nicht schrecklich teuer?«
    »Meine Exfrau verdient nicht schlecht. Und ich trage natürlich auch etwas dazu bei.«
    »Sehen Sie Ihre Tochter oft?«
    Ich steckte mir die Zigarette an, blies den Rauch weit ins Zimmer und schlug die Beine übereinander. Durch die Fensterfront drang das ferne Mahlen des Verkehrs. Als das Haus gebaut wurde, war der noch weit weg gewesen.
    »Ich sehe nicht, was meine Tochter mit dem zu tun haben könnte, womit Sie mich beauftragen wollen«, sagte ich.
    »Ich versuche nur, mir ein Bild von Ihnen zu machen. Und zu diesem Bild gehört auch, daß Sie eine Tochter haben. Schließlich muß ich ja wissen, ob ich Ihnen vertrauen kann.«
    »Das mit dem Vertrauen gilt für beide Seiten, Frau Schäfer-Scheunemann.«
    »Haben Sie das schon oft gemacht, etwas geborgen?«
    »Ich habe eine gewisse Erfahrung darin.«
    »Und worum hat es sich dabei bisher gehandelt?«
    »Sie werden verstehen, wenn ich da nicht ins Detail gehen kann. Die absolute Diskretion, die ich Ihnen zusichere, sichere ich jedem zu, der meine Hilfe in Anspruch nimmt.«
    »Sie sind aber doch kein Privatdetektiv?«
    »Ich lehne alles ab, was amtlich ist. Ich arbeite dazwischen, wenn Sie mich verstehen.«
    Ihre Augen konnten schimmern wie Opale. Sie pickte einen Krümel von der Lippe, betrachtete ihn einen Augenblick stirnrunzelnd, zog dann ihr Kleid um sich, als habe ein kühler Windhauch sie gestreift, und sah mich seufzend an.
    »Ich weiß nicht, ob ich Sie verstehe. Ich versuche es. Ich versuche auch, Ihre Anzeige zu verstehen.« Sie hatte die Zeitschrift mit der Anzeige aufgeschlagen auf dem Glastisch, nahm sie zur Hand und las sie vor, wie sie sie wahrscheinlich schon dutzendemal vorgelesen hatte, sich, dem Hund, dem großen Haus.
    »›Sind Sie verzweifelt? Wissen Sie nicht mehr weiter? Haben alle üblichen Instanzen versagt? Dann wenden Sie sich an Ihren Bergungsexperten für außergewöhnliche Fälle, Berlin, Postfach, oder im Notfall Telefon …‹ Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, Herr Harder. Ich muß wohl ein Notfall sein. Bekommen Sie viele Anrufe?«
    »Nicht so
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