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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul
Autoren: Jörg Fauser
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schon?«
    »Das Haus baute Paul noch Anfang der siebziger Jahre, und bei der Scheidung hat er es mir übertragen. Ich habe dafür auf den Unterhalt verzichtet.«
    »Ziemlich großmütig.«
    »Ich weiß nicht, wie Sie das geregelt haben. Das, was Paul ins Haus brachte, als er noch Geschäftsmann war, konnte ich nehmen. Das schmierige Geld aus der Politik nicht.«
    »Schmiergeld?«
    »Schmieriges Geld. Ich habe selbst auf Zahlungen für Miriam verzichtet, als sie sechzehn wurde.«
    »Das wird dann aber nicht leicht gewesen sein, das Haus hier zu halten.«
    Es hörte sich schon an wie ein Gespräch unter Bekannten, und der Blick, mit dem sie mich streifte, kam mir merkwürdig vertraulich vor. Obacht, dachte ich. Draußen dämmerte es allmählich.
    »Es war auch nicht leicht«, sagte Nora. »Es ist nicht leicht. Nicht als alleinstehende, geschiedene Mutter. Nicht als die Frau, die vor Jahren mal den Chef geheiratet hat. Nicht unter diesen Leuten, Harder, in diesen Häusern. Ich habe das einmal verloren, und jetzt wollte ich es nicht mehr verlieren. Ich wollte, daß Miriam in ihrem eigenen vertrauten Haus aufwächst und nicht in einer Mietwohnung in Hannover-Südstadt. Ich habe mich auch an diesen Blick gewöhnt, an die Luft, die man noch atmen kann, an den Wald, der noch da ist. Miriam und ich, wir haben oft ganze Tage hier oben gesessen und hinuntergeblickt, auf die Felder und die Dörfer und die Autos und die Ameisen. Es gab eine Zeit, nachdem Paul endgültig fort war, ich glaube, so glücklich werde ich nie mehr sein. Leicht, nein leicht war es nicht. Wenn das Glück leicht ist, spürt man es ja auch nicht.«
    Rührend. »Und Paul, was macht er heute?«
    »Ich denke, er macht immer noch seine schmutzigen Geschäfte.«
    »Wo?«
    »In Hannover.«
    »Sie haben überhaupt keinen Kontakt mit ihm?«
    »Wir sehen uns vielleicht einmal im Jahr, das genügt.«
    »Und Miriam?«
    »Miriam würde lieber eine Giftschlange anfassen, als Paul die Hand zu geben.«
    »Seit wann ist Miriam verschwunden?«
    Plötzlich zuckten ihre Schultern, und sie legte die Hände vors Gesicht und schluchzte. In meinem Beruf gewöhnt man sich an schluchzende Frauen, aber nicht so sehr, daß man ihnen nicht den Arm um die Schulter legen möchte – vor allem, wenn sie so aussehen wie Nora Schäfer-Scheunemann. Andererseits hatte sie mir auch schon eine Menge Sülze aufgetischt. Ich blieb sitzen und steckte mir eine Zigarette an und wartete, bis sie sich wieder gefaßt und mit einem Taschentuch abgetupft und einen neuen Campari gemixt hatte, dessen Farbe nun schon tiefrot blieb.
    »Miriam ist seit einem halben Jahr verschwunden, Harder«, sagte sie dann, und ihre Stimme klang jetzt rauh und hart und erregt. »Und ich spüre, daß Paul etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hat. Er hat sich nie damit abgefunden, daß Miriam bei mir ist. Und jetzt hat er sie in seine Gewalt gebracht.«
    »Das ist eine ziemlich happige Beschuldigung«, sagte ich. »Haben Sie dafür Beweise, Nora? Dann wäre es am besten, Sie wenden sich an die Polizei.«
    »An die Polizei? Die lachen mich doch aus. Ich dachte, Sie wüßten, in welcher Welt wir leben.«
    »Das wissen wir alle. Mehr oder weniger. Wenn Sie Anhaltspunkte dafür haben, daß Ihr Exmann Ihre Tochter gekidnappt hat, dann schalten Sie die Polizei ein, Nora. Die Leute da wissen nämlich mit am besten, in welcher Welt wir leben.«
    »Ich behaupte ja nicht, daß er sie gekidnappt hat.«
    »Miriam ist achtzehn, fast neunzehn. Wenn keine Anhaltspunkte für ein Verbrechen vorliegen, kann die Kripo ohnehin nur wenig unternehmen. Sie haben die Polizei aber doch von Miriams Verschwinden in Kenntnis gesetzt?«
    »Wozu, Harder? Sie sagen doch selbst, daß die Polizei in solchen Fällen nichts machen kann.«
    »So ist es nun auch wieder nicht. Wenn sie irgendwo polizeilich gemeldet oder ihr Name zur Personenfahndung ausgeschrieben ist, dann wird sie auch unweigerlich irgendwann ermittelt.«
    Sie stand immer noch an der Bar, und die Eiswürfel in ihrem Glas klirrten, als sie die Hand ausstreckte. Sie war jetzt richtig zornig. »Vielleicht sind Sie doch nicht der geeignete Mann für solch einen Auftrag, Herr Harder. Aufgrund Ihrer Annonce hatte ich damit gerechnet, daß Sie zumindest eine gewisse Entschlossenheit mitbringen, um diese Art von Arbeit auch durchzuführen, eine gewisse Bereitschaft, sich abseits der üblichen Pfade zu bewegen. Und dann kommen Sie und erzählen mir etwas von den polizeilichen Methoden der
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