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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul
Autoren: Jörg Fauser
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hielten, lagen wie Farbkleckse die bunten Decken vom Sommer, als die Freaks auf dem Dach gepennt hatten. Die Novembersonne sah kräftiger aus als die im Sommer, aber jetzt pennten nur noch die Tauben da oben. Das Haus stand wie ein verrotteter Zahn zwischen den Neubaublöcken. Ich sah Wiglaff an.
    »Was ich nicht verstehe, ich hab die ganze Zeit doch Steuern bezahlt.«
    »Aber nicht für die Einkünfte von der Frauenzeitschrift in München. Die vier großen Serien, erinnern Sie sich?«
    »Dieser Mist? Das war doch meine Frau. Können Sie sich vorstellen, daß ich für eine Modezeitschrift schreibe?«
    »Für Geld, Herr Harder? Jedenfalls sind die Honorare an Sie gegangen.«
    »Zwei Drittel sind an meine Frau gegangen. Meine Exfrau. Unter dem Mist stand mein Name, aber doch nur, weil ich mit diesen Serien besser im Geschäft war.«
    »Ihre Exfrau sieht das aber etwas anders.«
    »Was erwarten Sie von einer Exfrau in dieser Branche?«
    »Da habe ich noch keine gesicherten Erfahrungswerte, Herr Harder. Die Frage ist aber dann die, warum haben Sie die Angelegenheit nicht längst aus der Welt geschafft?«
    Ich zuckte die Achseln. »Das mit dem Finanzamt hat immer meine Frau gemacht.«
    »Von der Sie seit fünf Jahren geschieden sind.«
    »Und was wird nun? Wollen Sie pfänden?«
    »Aber ich bitte Sie.« Wiglaff drückte seine Zigarette aus und nahm noch einen Schluck Kaffee. »Wissen Sie, als ich Ihren Vorgang auf den Tisch bekam, hab ich gleich gedacht, das ist ein Fall, den man differenziert sehen muß. Ich bin nämlich Spezialist für die freien Berufe, was könnte ich Ihnen über meine Kundschaft erzählen, Bühne, Film, Showgeschäft …«
    »Erzählen Sie nur, ich bin ganz Ohr.«
    »Damit Sie dann hingehen und einen Artikel daraus machen, und sei es für eine Modezeitschrift!«
    »Das wäre doch was. Aber aus dem Gewerbe bin ich raus.«
    Sein Lächeln verschwand. »Ja, was machen Sie denn dann, wenn Sie Ihren Beruf nicht mehr ausüben?«
    »Ich seh mich gerade nach etwas Neuem um.«
    »Das hört man natürlich nicht so gern, Herr Harder. Der Kasus Knacktus ist ja wohl, wie wir das mit den Ratenzahlungen machen.«
    Allmählich kam er zur Sache. »Mit welchen Ratenzahlungen?«
    »Sie stehn mit 50000 Mark bei Vater Staat in der Kreide, mein Bester.«
    »Das krieg ich schon hin«, sagte ich souverän. »Wenn ich was an Land ziehe, sind es immer dicke Brocken.«
    Gerade diesen Augenblick suchte Nuchali sich aus, um einen Blick in die Küche zu werfen. Sie hatte sich ein Laken umgewickelt, aber es gab noch genug zu sehen. Wiglaff bekam kaum den Mund zu. Differenzen, wohin man blickte.
    »Oh, Joe, du hast Besuch? Ich muß bald weg, weißt du.«
    »Ich komme gleich«, sagte ich, »geh schon mal ins Bad, Darling.«
    Sie warf mir einen strahlenden Blick zu, von dem der Steuerfahnder auch noch etwas abbekam, und verschwand. Wiglaff räusperte sich. Ich kam ihm zuvor.
    »Meine Verlobte, Herr Wiglaff.«
    »Ah ja?« Das Mißtrauen stand ihm im Gesicht. »Ich wußte gar nicht, daß Sie Joe heißen.«
    »Sprechen Sie Harder mal aus, wenn Sie Asiate sind.«
    »Ich verstehe. Gut, Herr Harder, bleiben wir bei Ihrer Steuersache. Als Spezialist für freie Berufe kenne ich die Schwierigkeiten, mit denen viele in diesen Berufen zu ringen haben. Vor allem, wenn Sie dann auch noch Aussteiger sind.«
    »Ich bin kein Aussteiger. Als Aussteiger säße ich wohl kaum hier.«
    »Haben wir alles schon gehabt, Herr Harder. Zwanzig-Zimmer-Villa im Grunewald, ich hab damit nichts mehr zu tun, Herr Wiglaff, ich bin ausgestiegen. Aber irgendwie müssen wir ja zu Potte kommen. Diese 50000, die stehen nun mal im Raum. Und die Einspruchsfristen haben Sie ja alle verstreichen lassen.«
    »Was schlagen Sie denn dann vor?«
    »Sie haben natürlich Ihre Kontoauszüge der letzten Jahre zur Verfügung?«
    »Wieso, müßte ich?«
    »Sechs Jahre, Herr Harder. Sechs Jahre müssen Sie Ihre Kontoauszüge aufbewahren.«
    »Seh ich so aus, als ob ich viel aufhebe?«
    »Ich würde diese Angelegenheit nicht auf die leichte Schulter nehmen, Herr Harder. Sie müssen Ihre finanziellen Verhältnisse rekonstruieren und in den Griff kriegen. Wenn ich von Ihnen nicht bald höre, müßte ich eine Durchsuchung durchführen.«
    »Was hab ich zu erwarten? Knast?«
    Wiglaff packte den Schnellhefter ein und verschloß sorgfältig seinen Aktenkoffer mit den Staatsgeheimnissen. »Vorsatz der fortgesetzten Hinterziehung – Knast nicht gerade, aber eine saftige Geldstrafe schon. An
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