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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul
Autoren: Jörg Fauser
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Ihrer Stelle würde ich mir sofort einen Steuerberater nehmen.«
    »Sollte ich nicht lieber eine Bank überfallen?«
    »Aber Herr Harder, Sie als Journalist. Da wird Ihnen doch etwas Originelleres einfallen.«
    Ich brachte Wiglaff zur Tür. Nuchali plätscherte unter der Brause und trällerte etwas, das sich wie eine fernöstliche Version von Yesterday anhörte.
    »Und singen kann sie auch«, sagte Wiglaff.
    »Nuchali hat ein Musikstudium an der Akademie von Bangkok absolviert. Wie geht das nun weiter, Wiglaff?«
    »Am besten wäre, Sie machen eine Anzahlung. Sagen wir in einer Woche? Fünftausend Mark? Zeigen Sie uns Ihren guten Willen, dann kommen wir Ihnen auch entgegen.«
    »Ich hätte das gern schriftlich.«
    »Sie werfen ja doch alles Amtliche weg.«
    »Und wie erreiche ich Sie?«
    »Hier ist meine Karte.«
    »Wer sagt mir überhaupt, daß Sie echt sind?«
    »Ihre Erfahrung. Und verlassen Sie nach Möglichkeit nicht das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik, das könnte leicht zu Mißverständnissen führen. Tschüs!«
    Wiglaff marschierte zum Fahrstuhl. Bevor er einstieg, schenkte er mir noch ein Lächeln. Vielleicht war er schwul.
    »Schönen Gruß an Ihre Verlobte!«
    »Wichser.«
    Ich machte die Wohnungstür zu und ging mit Wiglaffs Karte zum Telefon. Ich wählte die Nummer, die auf der Karte stand. Niemand hob ab. Ich suchte mir aus dem Telefonbuch eine Nummer heraus, ließ mich ein paarmal hin und her verbinden, fragte dann nach Wiglaff. Herr Wiglaff ist jetzt nicht da. Ich legte auf.
    »Das Schwein ist tatsächlich bei der Steuerfahndung«, sagte ich zu Nuchali, als sie aus dem Bad kam.
    »Wer war das, Joe?«
    »Die eiserne Ferse des Staates.«
    Sie lachte. Sie fand alles zum Lachen, was ich sagte, und wenn sie wirklich mal nicht lachte, dann wußte ich, daß ich in meinem nächsten Leben auch nichts zu lachen hätte.
    »Willst du noch mal, Joe?«
    Ich ließ den Boxermantel fallen. Wer weiß, wann du wieder zum Zug kommst, dachte ich, jetzt, wo auch noch die Steuerfahndung hinter dir her ist. Als wir im Bett lagen, klingelte das Telefon. Ich langte mir den Hörer über Nuchalis blauschwarze Haare, die meinen Bauch bedeckten. Nach Wiglaff konnte es nur noch aufwärts gehen.
    »Harder.«
    »Ich rufe auf das Inserat an. ›Bergungsexperte für außergewöhnliche Fälle‹. Sind Sie das?«
    Eine angenehme, weiche Frauenstimme. Eine Stimme, die nach Geld klang.
    »Ja«, sagte ich, »das bin ich.«

2
    Am Flughafen Hannover-Langenhagen mietete ich einen silbergrauen Honda Accord. Als ich losfuhr, war es früher Nachmittag, die Sonne schien noch käftiger als in Berlin. Bei Altwarmbüchen führte die Autobahn durchs Moor. Ich erinnerte mich noch an die Proteste, die es damals gegen den Bau der Autobahnstrecke gegeben hatte. Sie hatten natürlich nichts genützt. Im Moor gab es eben wenig Arbeitsplätze, seit die KZs nicht mehr in Betrieb waren.
    Hannover, immer für eine richtig schmutzige Geschichte gut. Sozis, Gewerkschaften, Krisenbranchen, Wohnungsbau, Banken, Bahlsen, der ganze Klüngel, der auf Macht und Masse baute. Ich hatte früher manchmal reingerochen, aber die Stories waren kaum unterzubringen gewesen, und jetzt, wo der gigantische Beschiß klar zutage lag, konnten die Leute ihn nicht mehr ab. Und ich war nicht mehr im Geschäft.
    Nachdem ich durch Ricklingen war, nahm ich die B 217 Richtung Hameln. Flaches, nahrhaftes Land, flimmernd in einem verspäteten Altweibersommer. In Weetzen rauchten die Schlote der Zuckerfabrik. Rüben, dicke Bohnen, Kartoffeln. Am Horizont zog sich der dunkle Kamm des Deisters hin. Traktoren waren unterwegs, Lieferwagen, Vertreter, der Bund. Krähenschwärme. Und Leute wie ich, denen das Wasser bis zum Hals stand. Ich führ durch Holtensen, und bei dem Schild SAUPARK ELDAGSEN kurz vor Springe bog ich ab und führ den Hügel hoch. Volksen. Feine Gegend. Erst Klinkerhäuschen und Opel, dann, am Hang hoch, Bungalows, Villen, die großen Daimler, und auch mal ein Porsche. Auf dem Hang dichter Wald. Ich fand die Straße, parkte eine Ecke weiter. Bis auf eine Frau, die in einem Garten arbeitete, war niemand zu sehen. Ich atmete tief durch. Nach Berlin fast ein Ozonschock. Und dann der weite Blick über die Ebene. Das wollte alles bezahlt sein.
    Ein großes Grundstück mit Fichten und Blautannen, genug Platz für einen Garten, eine Doppelgarage und einen weißen Bungalow in der Form eines L, das auf dem Kopf stand, der Seitenflügel zur Straße hin eine riesige Fensterfront. Die
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