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Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)

Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)

Titel: Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)
Autoren: Jutta Richter
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übergeht.
    ›Fiete Feddersen‹, flüsterte Queequeg, ›ich will nicht in meiner Hängematte über Bord geworfen werden! Ich wünsche mir ein Kanu als Sarg, wie es sich für einen Walfänger gehört! Versprich mir, dass du dich darum kümmerst!‹
    Ich hätte Queequeg jeden Wunsch erfüllt, das wusste er.
    Der Schiffszimmermann fing sofort an, Queequegs Todesboot zu bauen. Und als der letzte Nagel eingeschlagen war und der Deckel glatt gehobelt, nahm der Zimmermann den Sarg auf die Schulter und ging in den Mannschaftsraum.
    Queequeg beugte sich aus seiner Hängematte heraus und betrachtete den Sarg eine Weile. Dann verlangte er nach seiner Harpune. Den hölzernen Schaft ließ er abnehmen und die eiserne Spitze samt einem Paddel seines Bootes in den Sarg legen. Auf seinen Wunsch wurden die Seiten mit Schiffszwieback ausgestopft, dazu kam eine Flasche Trinkwasser am Kopfende und ein kleines Säckchen mit Erde am Fußende, die man im Laderaum zusammengekratzt hatte. Nachdem man dann auch noch ein Stück Segeltuch als Kopfkissen zusammengerollt hatte, ließ sich Queequeg auf sein letztes Lager betten.
    Ein paar Minuten lag er reglos da, dann wollte er, dass man den Sargdeckel über ihm schließe. Der Deckel drehte sich in seinen Scharnieren und klappte zu.
    ›So ist es gut‹, murmelte Queequeg schließlich, dann ließ er sich wieder in die Hängematte zurückbringen.
    ›Fiete, mein Bruder, bleib bei mir!‹, flüsterte Queequeg. Und ich blieb und ich hielt seine Hand. Er fiel in einen unruhigen Schlaf, dann riss er plötzlich die Augen weit auf und zeigte aufs Fußende der Hängematte.
    ›Da steht er, Fiete Feddersen, da steht der schwarze Fährmann! Siehst du ihn auch?‹
    Ich sah ihn nicht.
    ›Queequeg, das kommt vom Fieber! Wir sind allein!‹
    Queequeg stöhnte und murmelte unverständliche Wörter. Dann sah er mich flehend an und sagte mit letzter Kraft: ›Beeil dich, Fiete Feddersen, häng schnell die Hängematte um! Da, wo die Füße sind, muss mein Kopf sein, dann kann er mir nichts tun!‹
    Ich suchte einen Haken, denn einem Sterbenden darf man keinen Wunsch abschlagen.
    Kaum hatte ich ihn umgedreht, fiel Queequeg in einen tiefen ruhigen Schlaf.
    Als er wach wurde, war das Fieber gesunken. Ich konnte es nicht glauben, aber Queequeg kam wieder zu Kräften. Ein paar Tage saß er noch etwas schlapp auf dem Spill herum, dann sprang er mit einem Mal auf, er gähnte, streckte die Arme und Beine, dass es knackte, der rote Löwe auf seiner Schulter riss das Maul auf und Queequeg stand mit erhobener Harpune auf dem Achterdeck.
    Die Kiste des Zimmermanns wurde nicht mehr gebraucht.
    ›Fiete Feddersen‹, hat Queequeg gesagt, ›Fiete Feddersen, merk dir eins: Man muss nicht sterben, wenn man entschlossen ist, am Leben zu bleiben. Nur ein Wal, ein Sturm oder sonst eine unberechenbare sinnlose Gewalt kann uns vernichten!‹«
     
    Im dämmrigen Schlafzimmer war es plötzlich ganz still. Onkel Fiete hatte, erschöpft vom Erzählen, die Augen geschlossen. Ole und ich standen leise auf. Wir schlichen auf Zehenspitzen zur Tür und wollten sie gerade öffnen, da rief Onkel Fiete uns zurück.
    »Kinder, bleibt hier!«
    Er zeigte mit zitternder Hand aufs Fußende des Bettes.
    »Da steht er. Seht ihr ihn auch?«, flüsterte Onkel Fiete.
    Ole und mir blieb die Spucke weg.
    »Mensch, Onkel Fiete, hör auf mit dem Quatsch!«, sagte ich. »Das ist nicht witzig! Du machst uns Angst!«
    »Schnell! Dreht mich um!«, flüsterte Onkel Fiete mit ersterbender Stimme.
    Ole nahm das Kopfkissen und warf es ans Fußende. Ich packte Onkel Fietes Füße. »Du musst mithelfen, Onkel Fiete, sonst schaffen wir das nicht!«
    Er setzte sich auf und wir zogen und zerrten und zerrten und zogen, bis Onkel Fiete endlich verkehrt rum im Bett lag.
    »So ist es gut!«, flüsterte er. »So ist es gut.«
    Wir waren starr vor Schreck. Da zog plötzlich ein breites Grinsen über Onkel Fietes Gesicht.
    »Ihr habt die Probe bestanden«, gluckste er. »Donnerwetter, das hätte ich euch Hosenschissern gar nicht zugetraut. Ab heute seid ihr Leichtmatrosen!«
    Ole ballte die Fäuste.
    »Ganz ruhig, mein Junge, ganz ruhig!«, sagte Onkel Fiete. »Wenn du mich fertigmachst, dann wirst du nie erfahren, wie ich den Untergang der Pequod überlebt habe. Du hast die Wahl!«
    »Du bist der krasseste Typ, dem ich je begegnet bin! Du bist einfach megakrass!«, schimpfte Ole.
    »Ich weiß!«, grinste Onkel Fiete. »Megakrass, mein Junge! Also, seid ihr bereit?«
    »Aye,
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