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Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)

Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)

Titel: Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)
Autoren: Jutta Richter
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auf der staubigen Werkzeugkiste! Er hielt ein Päckchen in der Hand und strahlte Tante Polly an!
    »Guck mal, was ich gefunden habe, Frau! Ich wusste doch, dass ich es wusste! Sie hat die ganze Zeit hier im Schuppen gelegen! Ich hatte sie versteckt, weil das Paulinchen sie doch zum Osterfest bekommen soll!«
    Es war die Mundharmonika. Sie war in vergilbtes Zeitungspapier eingewickelt, aber funkelnagelneu und ungespielt.
    »Ich habe mich daran erinnert, Frau! Ich habe mich wirklich daran erinnert!«
    Tante Polly wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen.
    »Komm, Fiete Feddersen!«, sagte sie zärtlich. »Komm, Fiete Feddersen, jetzt koche ich uns erst mal eine gute Tasse Bohnenkaffee!«

 
    VIERZEHNTES KAPITEL,
     
    in dem der Baum ein Baumschiff wird und
    Onkel Fiete uns einen Schrecken einjagt
     
    Am schwierigsten war es, die Stützpfähle zu setzen. Sie musste das Baumschiff tragen und dafür sorgen, dass die Äste nicht brechen konnten. Wir versuchten, die Pfähle zwischen dem Boden und dem Ast zu verkeilen. Zuerst legten wir ein Kreuz aus Brettern auf die Erde. Das musste sein, weil der Pfahl sonst beim nächsten Regen in die Wiese gesackt wäre. Dann setzten wir den ersten Stützpfahl mittig auf das Kreuz und führten ihn schräg unter den Ast. Danach kam die schwerste Aufgabe: Wir mussten den Pfahl so verkeilen, dass er sich nicht mehr bewegen konnte.
    Mein Bruder Ole war wirklich gut im Baumschiffbauen. Ich hätte ihm das nicht zugetraut, aber er meinte nur: »Kann doch jeder! Kannst du alles googeln.«
    Ich erinnerte mich an die Nachmittage im März. Mein Bruder hatte stundenlang vor dem Computer gesessen und so lange Baupläne ausgedruckt, bis Mama geschimpft hatte.
    »Schluss jetzt! Du verbrauchst mein ganzes Papier!«, hatte sie gesagt. »Und die Farbpatrone ist auch schon wieder leer! Weißt du eigentlich, was das kostet?«
    »Aber ich brauch die Pläne, Mama! Das ist ganz wichtig!«
    »Das ist Spinnkram und Geldverschwendung, Ole Feddersen!«, hatte Mama geschimpft.
    Ole hatte die Baupläne über sein Bett gehängt. Damals war ich nicht schlau daraus geworden. Jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Mein Bruder hatte schon immer ein Baumhaus bauen wollen. Er wollte einen Platz für sich allein. Den besten Geheimplatz der Welt!
    Ole kletterte in den Baum. Und dann musste ich ihm die Bretter anreichen. Immer eins nach dem anderen. Ole schob die Bretter so lange hin und her, bis sie waagrecht in der Astgabel lagen. Der Boden des Baumschiffs war fertig. Ole zog einen Bleistift aus der Hosentasche und machte einen Querstrich auf die Bretter, die zu lang waren, dann reichte er sie mir an.
    »Und jetzt?«
    »Absägen!«, sagte Ole.
    In unserer Straße kamen im Winter immer die Arbeiter und sägten die Äste der Straßenbäume ab, die zu tief hingen. Ole und ich waren dann rausgelaufen und hatten den Männern zugeguckt. Für die kleinen Äste hatten sie eine Handsäge genommen, die genauso aussah wie die von Onkel Fiete. Das Sägen hatte ganz leicht ausgesehen, aber jetzt merkten wir, wie schwer es war. Der Schweiß lief uns vom Kopf und die Säge verkeilte sich immer wieder. Als wir endlich alle Bretter auf die richtige Länge gesägt hatten, waren wir mächtig stolz auf uns.
    »Komm rauf«, sagte Ole. »Und bring den Hammer und die Nägel mit.«
    Nachdem wir die Bretter an die Äste genagelt hatten, legten wir uns auf die Plattform. Ein leichter Wind war aufgekommen, die Grashalme bewegten sich und im Abendlicht sah die Wiese plötzlich genauso aus wie das Meer auf den Ölbildern in unserer Kammer.
    Es gibt Augenblicke, da ist alles so, wie es sein soll. Der Geburtstagsmorgen, als Ole und Mama an meinem Bett standen und gesungen haben, der Novembernachmittag, als ich zum ersten Mal eine Eins in der Mathearbeit bekommen hatte, der Februarabend, als Ole und ich unterm Küchentisch saßen und eine Tüte Gummibärchen geteilt haben. Jetzt war auch so ein Augenblick.
    Der Wind kühlte unsere Gesichter, er streichelte unsere Beine, wir lagen schweigend nebeneinander auf dem Baumschiff, das Gesicht in die Hände gestützt, wir sahen die grüngrauen Wogen der Weltmeere unter uns, und obwohl wir nicht redeten, wusste ich, wir hatten denselben Gedanken.
    Das hier waren wirklich die besten Ferien der Welt!
    »Pequod!«, sagte Ole irgendwann später. »Das Schiff heißt Pequod!«
    Ich nickte.
    »Und zur Schiffstaufe laden wir Onkel Fiete und Tante Polly ein! Die werden Augen machen!«
    Als der
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