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Das rote Flugzeug

Das rote Flugzeug

Titel: Das rote Flugzeug
Autoren: Arthur W. Upfield
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Nettlefold. »Welches Zimmer willst du ihr geben, Elizabeth?«
    »Legen wir sie doch fürs erste einfach in mein Bett – Hetty, kommen Sie doch rüber auf die andere Seite, und helfen Sie meinem Vater. Meine Arme sind so verkrampft, daß ich sie kaum noch rühren kann.«
    »Ach, du lieber Gott! Was ist denn mit ihr los?« rief Hetty.
    »Das wissen wir noch nicht. So. Halten Sie sie fest. Ja, vorsichtig. Gut. Hast du sie, Dad?«
    »Ja.«
    John Nettlefold war immer noch ein kräftiger Mann. Er hob die Bewußtlose aus dem Wagen und trug sie den Gartenweg entlang, die Stufen zur Veranda hinauf und durch die offene Tür ins Haus, als hielte er ein Kind in den Armen. Hetty half inzwischen Elizabeth aus dem Wagen und wurde dann angewiesen, vorauszulaufen und dem fremden Gast das Bett zu richten. Elizabeth folgte ihr langsamen Schrittes, schüttelte Arme und Beine, um ihren Kreislauf wieder auf Touren zu bringen, und trat ins Haus, als ihr Vater eben aus ihrem Zimmer kam.
    »Ich rufe jetzt sofort Knowles und Cox an«, sagte er.
    »Ja, gut. Weißt du was«, fügte sie hinzu, »es war dumm von uns, daß wir in dem Flugzeug nicht nach ihren Sachen gesehen haben.«
    »Ja, das hätten wir tun sollen«, stimmte er zu. »Aber Cox oder ich werden morgen sowieso noch einmal hinausfahren müssen, da ist es nicht so schlimm.«
    Sie sah ihn an und lächelte dann über etwas, das ihr plötzlich durch den Sinn ging.
    »Weißt du«, sagte sie, »ich glaube, ich werde jetzt endlich eine Berechtigung für mein Leben in Coolibah finden.«
    »Wie meinst du das?«
    »Das erklär’ ich dir später mal«, antwortete sie leichthin und ging.
     
     
     
    3
    Der fliegende Doktor
     
    Wenn die Leute von Coolibah »zur Stadt« fuhren, folgten sie zunächst dem Weg, der sich vom Hof aus nach Nordosten schlängelte. Nach knapp vierzig Kilometern erreichten sie die Straße Golden Dawn–St. Albans. Hier stand ein roh gezimmerter Wegweiser, der in südwestlicher Richtung nach Coolibah wies, nordwestlich zur Tintanoo–Farm und nach St. Albans, östlich nach Golden Dawn. Jeden Mittwoch gegen Mittag hielt hier der Postwagen, und der Postbote stieg aus, um die Post für Coolibah in den großen Kasten zu stecken, der dort an einen Baum genagelt war. Am Mittag des folgenden Tages, auf der Rückfahrt nach Golden Dawn, nahm er aus demselben Kasten die Post aus Coolibah zum Versand mit.
    Wer »zur Stadt« wollte, mußte von dieser Straßenkreuzung aus weitere hundertdreißig Kilometer bis Golden Dawn fahren, danach nochmals knapp hundertachtzig Kilometer bis Yaraka, wo der Bahnhof war. Und von dort begann dann die lange Eisenbahnfahrt nach Brisbane. Dies ist keine Reise, die man schnell mal übers Wochenende unternehmen kann; daher kommen die Leute aus dem fernen Westen von Queensland nur selten nach Brisbane. Parallel zum Pfad nach Coolibah verlief die Telefonleitung, die sich an der Straßenkreuzung mit den Leitungen von Tintanoo und St. Albans vereinigte. Als John Nettlefold in Golden Dawn anrief, meldete sich das Mädchen in der kleinen Vermittlung, die sich im Postamt befand. Sie verband ihn mit der Polizeidienststelle. Es war genau sechs Uhr, und Sergeant Cox saß mit seiner Frau und seinem Sohn beim Abendessen. Um zum Telefon zu gelangen, mußte er aus der Küche durch das Haus in eines der vorderen Zimmer gehen, das als Büro diente.
    »Ja?« brummte er. »Was gibt’s?«
    »Nettlefold hier, Sergeant. Ich höre, daß gestern abend ein Flugzeug gestohlen wurde, das dem ›Fliegerzirkus‹ gehört, der zur Zeit in Golden Dawn ist.«
    »Ah – ja, Mr. Nettlefold. Wissen Sie etwas darüber?«
    »Handelte es sich vielleicht um einen roten Eindecker?«
    »Ja. Haben Sie die Maschine gesehen? Ist sie bei Ihnen runter gekommen?«
    »Ja.«
    »Und haben Sie den Kerl, der sie gestohlen hat?« fragte Cox gespannt.
    »Das glaube ich nicht, nein.«
    »Sie – glauben es nicht? Aber Mr. Nettlefold, Sie müssen doch wissen, ob Sie den Dieb erwischt haben oder nicht!«
    Nettlefolds vage Antwort wirkte wie Öl auf Feuer. Das große rote Gesicht des Polizeibeamten färbte sich noch tiefer. Das kurze eisengraue Haar schien noch starrer in die Höhe zu stehen, die eisengrauen Augen funkelten, der eisengraue Schnauzer sträubte sich förmlich. Hätte man Sergeant Cox in eine Khaki–Uniform gesteckt und ihm einen Tropenhelm aufgesetzt, so hätte man das Bild eines typischen britischen Kolonialoffiziers vor sich gehabt.
    »Nein, ich weiß eben nicht, ob wir den Dieb haben oder
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