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Das rote Flugzeug

Das rote Flugzeug

Titel: Das rote Flugzeug
Autoren: Arthur W. Upfield
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helles Band zu Füßen leuchtend grüner Fieberbäume hinzog.
    Elizabeth stieß einen gellenden Schrei aus, und Nettlefold trat automatisch auf die Bremse. In der Mitte des Sees lag ein kleines knallrotes Flugzeug.
     
     
     
    2
    Treibgut
     
    »Das ist aber merkwürdig«, sagte Nettlefold leise, während er den Blick über den flachen Grund des Sees schweifen ließ. Der See war vielleicht drei bis vier Kilometer lang und etwa anderthalb Kilometer breit, sein Grund mit Bültgrasbüscheln bewachsen, die die Känguruhs jetzt im Frühjahr, wo das Gras frisch und saftig war, fast bis zu den Wurzeln abgeknabbert hatten. Wäre der Emu Lake mit Wasser gefüllt gewesen – wie nach der Flut im Jahr 1908 –, er wäre ein wahres Juwel gewesen. Jetzt wirkte er stumpf und farblos wie die Fassung eines Rings, aus der der Stein herausgefallen ist.
    »Ich glaube, da sitzt jemand drin«, sagte Elizabeth. »Siehst du, da, auf dem vorderen Sitz?«
    »Ich sehe nichts«, antwortete Nettlefold. »Aber vielleicht sind deine Augen schärfer als meine. Der Pilot muß eine Notlandung gemacht haben. Fahren wir ein Stück außen herum und dann hinüber.«
    Vorsichtig steuerte Nettlefold den Wagen die Böschung hinunter auf den Lehmstreifen, fuhr, da die kleine Maschine etwas links von ihnen lag, ein Stück auf ihm entlang und bog dann, als sie sich dem Flugzeug direkt gegenüber befanden, scharf ab, um auf den Seegrund hinauszufahren. Der schwere Wagen rollte schwankend über Grasbüschel und durch tiefen Sand und hielt schließlich vor dem blitzenden roten Eindecker an.
    Auf dem vorderen Sitz saß, wie sie jetzt erkennen konnten, eine junge Frau. Ihre Haltung war völlig natürlich, der Kopf leicht vorgeneigt, als betrachte sie etwas, das auf ihrem Schoß lag. Sie war reglos, als ob sie in ein spannendes Buch vertieft wäre. Der Platz des Piloten war leer. »Guten Tag!« rief Nettlefold.
    Die junge Frau in der Maschine reagierte nicht. Sie starrte weiterhin bewegungslos in ihren Schoß hinunter. Auch als er noch einmal rief, rührte sie sich nicht.
    »Das ist doch komisch, Dad«, sagte Elizabeth beunruhigt.
    »Finde ich auch. Warte hier.«
    In John Nettlefolds Stimme lag jetzt ein metallischer Unterton. Er stieg aus dem Wagen und ging auf das offene Flugzeug zu. Als er direkt neben der Maschine stand, konnte er sehen, daß die Augen der jungen Frau fast geschlossen waren. Sie las nicht. Sie schlief oder – sie war tot …
    »Guten Tag!« rief er zum drittenmal.
    Und sie reagierte wieder nicht. Er kniff sie leicht ins linke Ohrläppchen. Die Haut war warm, aber auch diese Berührung rief keinerlei Reaktion hervor.
    »Kommen Sie! Wachen Sie auf!« sagte er laut und begann, sie zu schütteln. Ihr Körper war weich und lebendig, doch er konnte sie nicht wecken.
    Der Platz hinter ihr, wo die Armaturen sich befanden, war leer.
    »Ist sie tot?« rief Elizabeth vom Wagen herüber.
    »Nein, aber irgendwas stimmt nicht. Komm doch mal her und schau sie dir an.« Als Elizabeth bei ihm war, fügte er hinzu: »Sie sieht aus, als ob sie schläft, aber ich kann sie nicht wecken. Und ich möchte wissen, wo der Pilot geblieben ist.«
    »Wahrscheinlich ist er unterwegs, um Hilfe zu holen. Die Maschine sieht völlig unbeschädigt aus. Meinst du nicht, wir sollten sie herausholen? Vielleicht ist sie nur ohnmächtig.«
    »Warte – Augenblick noch. Bleib stehen, wo du bist.«
    Nettlefolds im Busch geschulte Instinkte erwachten. Mit aufmerksamem Blick suchte er den Boden rund um das Flugzeug ab. Im feinen rötlichen Sand zwischen den Grasbüscheln waren ihre eigenen Schuhabdrücke, die vom Wagen herüberführten, klar erkennbar; andere, von Menschen hinterlassene Spuren waren jedoch nicht zu sehen. Auf dieser Seite der Maschine war eindeutig niemand ausgestiegen, weder der Pilot noch die junge Frau.
    Nettlefold ging zur anderen Seite hinüber, aber auch hier konnte er keine Spuren entdecken. Nachdem er zu Elizabeth zurückgekehrt war, ging er noch einmal langsam und in weiterem Bogen um das rote Flugzeug herum.
    »Es gibt keinen Piloten«, sagte er, als er wieder bei seiner Tochter angelangt war. »Die Frau muß die Maschine selbst geflogen haben. Hier ist niemand ausgestiegen nach der Landung.«
    »Aber wenn sie selbst die Maschine geflogen hätte, dann hätte sie doch hinten gesessen«, wandte Elizabeth ein.
    »Da wird sie sicher auch gesessen haben. Sie muß nach der Landung nach vorn geklettert sein. Es steht jedenfalls fest, daß hier niemand ausgestiegen
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