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Das rote Flugzeug

Das rote Flugzeug

Titel: Das rote Flugzeug
Autoren: Arthur W. Upfield
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ist. Sonst wären Spuren da.«
    Nettlefold trat ein paar Schritte zurück, um das knallrot lackierte kleine Flugzeug besser begutachten zu können. Die Maschine war entweder neu oder war kürzlich frisch lackiert worden. Auf dem Rumpf standen in Weiß die Buchstaben V.H–U, dann folgte das Kennzeichen.
    Woher war diese Maschine gekommen? Sie befanden sich hier Hunderte von Kilometern abseits aller offiziellen Luftwege, und soweit Nettlefold bekannt war, besaß keiner der Siedler im ganzen großen Distrikt ein Flugzeug. Er wußte natürlich, daß es immer wieder abenteuerlustige Leute gab, die sich ein Vergnügen daraus machten, Australien aus der Luft zu erforschen, aber bisher hatten sie sich stets an die abgesteckten Routen gehalten. Emu Lake war fast zweihundert Kilometer von der nächsten größeren Gemeinde, Golden Dawn, entfernt und lag nicht auf der Verbindungslinie von Ortschaft zu Ortschaft oder von Hof zu Hof.
    »Komm, Dad, holen wir sie raus«, drängte Elizabeth. »Wenn sie ohnmächtig ist, müssen wir versuchen, sie zu sich zu bringen.«
    Er stellte einen Fuß auf die Stufe, die in die Rumpfseite eingeschnitten war, zog sich hoch und schwang sich auf das Flugzeug wie auf ein Pferd. Nachdem er sich auf dem schmalen Bogen zwischen den zwei Kabinenteilen niedergelassen hatte, schob er der immer noch reglosen jungen Frau die Hände unter die Arme.
    »Sie ist ja angeschnallt«, rief er Elizabeth verwundert zu.
    »Das ist beim Fliegen so Sitte«, gab sie zurück.
    »Ich weiß, aber warum sollte die Frau sich angeschnallt haben, wenn sie erst nach der Landung vom hinteren Sitz aus nach vorn umgestiegen ist?«
    »Vielleicht kann man die Maschine auch bedienen, wenn man vorn sitzt.«
    »Aber ich sehe hier vorn keinerlei Armaturen«, wandte er ein.
    »Ach, laß doch, Dad. Hol sie heraus und laß sie zu mir herunter. Die Rätsel können wir lösen, wenn wir festgestellt haben, was mit ihr los ist.«
    Es war nicht einfach, die junge Frau aus der Maschine zu heben. Sie blieb während des ganzen Unternehmens völlig passiv, und Elizabeth brauchte ihre ganze Kraft, um sie zu halten, als ihr Vater sie zu ihr herunterließ, und sie dann vorsichtig neben der Maschine auf den Boden gleiten zu lassen. Aufmerksam musterte sie das unbewegte Gesicht.
    »Sie ist hübsch, nicht?« sagte sie zu Nettlefold, der sich wieder zu ihr gesellt hatte.
    »Ja. Glaubst du, daß sie ohnmächtig ist?«
    »Ich weiß nicht. Ich bezweifle es. Es sieht nicht nach einer Ohnmacht aus. Würdest du mir aus dem Wagen etwas Wasser bringen, bitte?«
    Während Elizabeth wartete, betrachtete sie erneut die reglosen Gesichtszüge. Die Lippen der jungen Frau waren leicht geöffnet, der Oberkörper hob und senkte sich regelmäßig. Sie schien zu schlafen, doch es war ein sonderbarer Schlaf, da ja normalerweise das Gesicht eines Schlafenden gewisse Regungen zeigt. Die junge Frau trug einen blauen Baumwollrock und eine hellblaue Strickjacke über einer Seidenbluse. Strümpfe und Schuhe waren von guter Qualität. Sie trug keinen Schmuck.
    Als Nettlefold mit der Wasserflasche und einem Becher zurückkam, setzte sich Elizabeth neben die junge Frau auf den Boden und hob ihren Kopf auf ihren Schoß. Sie hielt ihr den gefüllten Becher an die Lippen, doch die bewußtlose junge Frau reagierte überhaupt nicht. Elizabeth tupfte ihr die Stirn und die Handrücken mit einem feuchten Taschentuch ab, doch auch das bewirkte nichts.
    »Ich versteh’ das nicht«, sagte Elizabeth schließlich. »Es macht mir angst.«
    Nettlefold kniete neben seiner Tochter nieder und zog mit einer Fingerspitze vorsichtig das linke Augenlid der Frau hoch. Er stieß einen unterdrückten Ruf der Verwunderung aus und zog das andere Lid hoch. Die Lider blieben genau in der Position, in die er sie gebracht hatte, und die großen dunkelblauen Augen waren jetzt mit erschreckender Starrheit auf ihn gerichtet. Der Ausdruck verzweifelten Flehens in ihnen war unverkennbar.
    »Es ist ja gut«, sagte er unwillkürlich. »Es ist ja gut. Wir sind Freunde.«
    »Was!« rief Elizabeth. »Ist sie wach?« Hastig hob sie den Kopf der jungen Frau ein wenig an und drehte ihren Oberkörper, um ihr in die Augen sehen zu können. »Sie ist ja bei Bewußtsein!«
    Einen Moment lang blickten sie entsetzt und voller Mitleid in die großen starren Augen unter den unbeweglichen Lidern. Die junge Frau gab keinen Laut von sich, machte nicht die kleinste Bewegung, nur ihre Augen schienen sich ganz leicht zu regen. Wäre nicht
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