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Das rote Flugzeug

Das rote Flugzeug

Titel: Das rote Flugzeug
Autoren: Arthur W. Upfield
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    1
    Das verlassene Flugzeug
     
    Es war ein windstiller Tag, kühl und frisch, darum entschied sich Elizabeth, ihren Vater auf einer Rundfahrt über das fünfzehnhundert Quadratmeilen umfassende Staatsgut Coolibah zu begleiten. Für Nettlefold selbst war nicht das angenehme Oktoberwetter weit im Westen von Queensland Anlaß zu der Inspektionsfahrt über die große Rinderfarm, deren Verwalter er seit zweiunddreißig Jahren war. Für ihn gehörten solche Fahrten zum Arbeitsalltag. Diesmal wollte er zunächst eine Viehherde besichtigen, ehe sie den Treibern übergeben wurde, die sie zum Weitertransport nach Bourke und dann nach Sydney bringen sollten, und danach wollte er die Qualität des Weidelands in Emu Lake begutachten, einer riesigen Koppel, die zwei Jahre lang geruht hatte.
    »Ich bin froh, daß du mitgekommen bist, Elizabeth«, sagte er, während sie westwärts fuhren.
    »Ich auch«, antwortete Elizabeth. »Es ist immer so still im Haus, wenn du weg bist, und es ist ja weiß Gott schon ruhig genug, wenn du da bist.« Sie lächelte. »Außerdem streikt immer das Radio, wenn du außer Haus bist.«
    Ihr schönes Gesicht strafte alle jene Lügen, die behaupten, die Witterung Queenslands ruiniere den Teint. Es war klar und frisch, mit großen Augen, die so dunkel waren wie ihr Haar.
    »Du fährst heute zum viertenmal mit mir, seit wir auf Autos umgestiegen sind«, bemerkte er nach einer kleinen Weile des Schweigens.
    »Das fünfte Mal«, verbesserte sie.
    Er lachte, die Augen in dem breiten rotbraunen Gesicht verzogen sich zu schmalen Schlitzen.
    »Na ja, mit dem Auto ist es auch nicht so langweilig wie früher mit dem Pferdegespann. Ich weiß noch, wie du das erste Mal mitgekommen bist. Du warst erst fünf, und obwohl wir uns gegen deine Mutter verbündet hatten, mußten wir hart kämpfen, bis sie es erlaubte.«
    »Das war damals, als der Fluß über die Ufer trat, während wir draußen waren, und wir zwei Wochen im Freien kampieren mußten, ehe das Hochwasser endlich so weit zurückging, daß wir ihn durchqueren konnten. Ich weiß noch genau, wie Mutter aus dem Haus stürzte, als wir ankamen. Ich glaube, das ist eine meiner frühesten Erinnerungen – ihr ängstliches Gesicht an dem Tag.«
    »Sie hatte Grund zur Besorgnis. Damals gab es noch keine telefonische Verbindung zu den Hütten der Leute draußen, und von den Farmen im Norden, die uns vor der Überschwemmung rechtzeitig hätten warnen können, waren wir auch nicht zu erreichen. Vor deiner Geburt ist deine Mutter oft mit mir rausgefahren. Es hat ihr immer Spaß gemacht. Wir waren gute Kameraden, deine Mutter und ich.«
    Elizabeth streichelte leicht seinen Arm. »Und jetzt sind wir Kameraden, nicht wahr?« sagte sie leise.
    »Ja, Elizabeth, jetzt sind wir Kameraden«, stimmte er zu und schwieg.
    Sie befanden sich gut dreißig Kilometer westlich der Diamantina mit ihrem Gewirr verschlungener trockener Seitenarme und fünfundfünfzig Kilometer vom Hof entfernt. Vor ihnen reihten sich gewaltige orangefarbene Sanddünen, die nur spärlich bewachsen waren, zu Ketten. Hier und dort hinter den sandigen Hügeln leuchtete das Laub grüner Bäume, und dahinter verdunkelte eine Staubwolke den Himmel.
    »Das wird Ted Sharp mit dem Vieh sein«, bemerkte Nettlefold auf die braune Staubwolke deutend.
    »Wie viele schicken wir diesmal weg?« fragte Elizabeth.
    »Achthundert – hoffe ich. Kommt ganz drauf an.«
    Der schmale Weg führte sie um einen sandigen Ausläufer herum, der etwa zehn bis zwölf Meter zum Gipfel einer Düne aufstieg, und schlängelte sich dann über harte, vom Wind leergefegte Lehmpfannen, auf denen die Räder ihres Wagens kaum Eindrücke hinterließen, durch die orangebraune Hügellandschaft. Die Rockies, hatte Elizabeth die Hügel getauft, als sie ihren Vater das erste Mal dazu überredet hatte, hier Rast zu machen, und sie bis zum Gipfel einer der Dünen hinaufgeklettert war, um dann unter Gelächter den steilen Hang hinunterzurutschen.
    So plötzlich, wie sie auf diesen unüberwindlich scheinenden Sandwall gestoßen waren, ließen sie ihn hinter sich. Der Wagen schoß auf eine weite, baumlose Ebene, die weit drüben, auf der anderen Seite, von dunklen Bäumen begrenzt war. Vor ihnen wogte eine gewaltige Masse langsam vorwärtstrottender Rinder, die von vier Reitern getrieben wurden. Ein fünfter Reiter, der ein gesatteltes Pferd mit sich führte, trabte ihnen entgegen. Als sie anhielten, kam er nahe an den Wagen heran und zog den
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