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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten
Autoren: Aileen P. Roberts
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zu bewegen als ein normaler Mensch. Ich habe mich immer gefragt, weshalb ich im Dunkeln so gut sehen kann. Auch das liegt an meinem Erbe. Im Vergleich mit den meisten Tuavinn sehe ich sogar ausgesprochen schlecht.«
    »Ach wirklich?« Schlagartig wurde Lena klar, weshalb Ragnar sie früher regelmäßig abgehängt und warum er damals, bei ihrem Einbruch bei seinem Onkel, nicht einmal eine Taschenlampe benötigt hatte.
    »Früher habe ich mich oft gewundert, weshalb Verletzungen bei mir so schnell abheilen.« Kleine Fältchen bildeten sich um seine Augen, als er lächelte. »Die Tuavinn haben sehr viel stärkere Knochen, als dies bei Menschen der Fall ist. Wunden heilen in der Regel innerhalb kürzester Zeit. Ich bin gar nicht seltsam oder abnormal – ich bin einfach nur zu einem Viertel ein Tuavinn!«
    Lena freute sich für Ragnar, der weiterhin voller Begeisterung über sein neues Leben erzählte. Sie ritten tiefer in die Berge hinein, das Unterholz wurde dichter und dichter. Neugierig spähte Lena hinter Ragnars Rücken hervor, glaubte hier und da ein Huschen zu erkennen. Ob es sich um Vögel oder irgendwelche Wildtiere handelte, konnte sie nicht feststellen, aber nachdem keiner ihrer Begleiter nervös oder besorgt erschien, entspannte auch sie sich.
    Lena konnte hören, wie Maredd und Amelia miteinander sprachen, hin und wieder vernahm sie ein verhaltenes Lachen. Als die beiden dann völlig ungerührt auf eine dichte, von Stacheln bewehrte Hecke zuhielten, die kleine weiße und rosafarbene Röschen zierten, versteifte sie sich. Aber wie von Geisterhand zogen sich Äste und Blätter leise raschelnd zur Seite, und vor ihnen tat sich ein Trampelpfad auf. Sie ritten durch das Gebüsch, und als Lena sich umdrehte, schloss sich die Hecke hinter Etron, so als hätte es dort niemals einen Durchlass gegeben.
    »Was war das denn?«, stieß sie atemlos hervor, blinzelte mehrfach, aber die Hecke blieb undurchdringlich wie eine Mauer.
    »Viele Naturgeister sind den Tuavinn in Freundschaft verbunden«, erklärte Ragnar. »Sie helfen uns, unsere Aufenthaltsorte vor den Rodhakan und den Bewohnern der Städte zu verschleiern.«
    »Ach? Und diese Naturgeister öffnen und schließen völlig verwachsene Dornenhecken?«
    »Es ist so …« Weiter kam Ragnar nicht, denn nun wurde der Pfad deutlich breiter, weniger steinig, und das Pferd von Maredd und Amelia galoppierte an. »Später, Lena.«
    In mächtigen Sätzen stürmten die Pferde den Berg hinauf, rasten an gewaltigen Baumstämmen vorüber. Zu ihrer Rechten bahnte sich ein Wildbach schäumend seinen Weg ins Tal, floss dabei in etlichen Windungen über ungewöhnlich geformte und bläulich oder grün schillernde Steine, aber durch den raschen Galopp konnte Lena das alles gar nicht richtig erkennen. Irgendwann lichtete sich das dichte Blätterdach, und sie erreichten eine grasbewachsene Hochebene. Ragnar ließ Devera an den Rand treten und ermöglichte Lena so einen atemberaubenden Blick über die dichten Wälder der Berge von Avarinn. Weiter unten liefen sie in sanftere Hügel aus und endeten in einem gräsernen Meer von derart unterschiedlichen Grüntönen, dass Lena schwindlig wurde. Weit in der Ferne erahnte sie etwas Blaues, einen gewaltigen See oder vielleicht sogar das Meer. Sie sog die Luft ein, stieß sie zischend wieder aus und schüttelte den Kopf. Dabei ließ sie sich vom Pferderücken rutschen. Auch Ragnar stieg ab und legte einen Arm um ihre Schultern. Glücklich, ihn endlich wieder zu spüren, lehnte sich Lena an ihn.
    »Ist es nicht wunderbar hier?«, fragte Ragnar.
    Lena drehte sich zu ihm um und nickte stumm, woraufhin Ragnar ihr zuzwinkerte. »Komm jetzt, du wirst sicher hungrig sein.«
    Bislang hatte Lena gar keinen Appetit verspürt, aber jetzt, da Ragnar es erwähnte, knurrte wie auf Kommando ihr Magen.
    Maredd und Etron schafften mittlerweile Holz heran, Amelia kramte in einer Satteltasche und legte anschließend eine wahre Vielfalt unterschiedlicher Nahrung auf einen Stein. Ein großes Stück goldgelber Käse, mehrere Brotfladen und Beeren, für die sie keinen Namen kannte.
    »Lena, ich gehe noch einige Früchte sammeln, die dir sicher schmecken werden«, sagte Ragnar. »Bleib doch kurz bei Amelia, später können wir reden.«
    Eigentlich hätte Lena Ragnar lieber begleitet, ihn so vieles gefragt, aber er war bereits zwischen den Büschen verschwunden.
    Lena trat zu Amelia heran.
    »Und, was sagst du zu Elvancor?«, erkundigte sich die Frau, die Lena im
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