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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten
Autoren: Aileen P. Roberts
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Prolog
    L eise rauschte der Wind in den Baumkronen rund um die Esperhöhle. Der Geruch von Regen lag noch in der Luft. Tief sog Ragnar den Duft von Tannennadeln, frisch gefallenem Laub und Erde in seine Lungen. Von prickelnder Aufregung erfasst, hastete er mit langen Schritten den Berg hinauf und spürte alsbald die Gegenwart anderer Wesenheiten. Er schloss die Augen, seine Sinne verschärften sich.
    Schon standen zwei Männer und eine Frau auf dem Vorplatz zur Höhle, die mit ihren senkrecht aufragenden Felsen wie eine Theaterkulisse anmutete. Menschen längst vergangener Zeit – Keltenkrieger. Der linke trug ein verblichenes Hemd und eine karierte Hose, der zweite ein bodenlanges Gewand, ähnlich wie die Frau. Sie alle hatten sich mit zahlreichen Schmuckstücken behängt, die Bärte der Männer waren ebenso ordentlich gekalkt wie ihre hellen Haare. An der Seite des linken Mannes hing ein Schwert, genau wie bei der Frau, der andere war unbewaffnet.
    Ich grüße euch , sagte Ragnar in Gedanken.
    Die drei musterten ihn verwirrt, waren es wohl nicht gewohnt, von Sterblichen gesehen zu werden. Doch nachdem sie kurz miteinander geflüstert hatten, verbeugten sie sich zum Gruß.
    Wie können wir dir behilflich sein, junger Mann aus einer Epoche, die weit nach der unsrigen liegt? Die Stimme der Frau klang sanft in Ragnars Ohren, ihr Blick drang regelrecht in sein Innerstes.
    Vor langer Zeit ,mit einem zögernden Schmunzeln korrigierte er sich, oder – für euer Verständnis – wohl eher vor kurzer Zeit muss meine Großmutter hier gewesen sein. Sie hat das Bruchstück einer Kette in den Höhlen versteckt. Wisst ihr, wo es sich befindet?
    Die drei Krieger sahen sich kurz an, dann trat der Mann mit der braun karierten Hose vor und strich sich über seinen imposanten Schnurrbart. Wir konnten die beiden beobachten, wir waren Zeugen. Eine Frau kam hierher, von schlanker Statur mit braunem Haar. Sie wurde von einem Wesen begleitet, das aus der Anderswelt stammt.
    Die Keltin nickte zustimmend. Bei unseren Ahnen waren sie als die Wächter der Ewigkeit bekannt, aber nur die tapfersten Krieger und die weisesten Druiden und Druidinnen durften ihnen in ihr magisches Reich folgen und dort lernen oder auf jene warten, die sie liebten.
    »Dann gibt es diesen Maredd wirklich?«, rief Ragnar aus, ohne zu bemerken, dass er laut gesprochen hatte.
    Wie es aussah, verstanden ihn die Kelten aber ohnehin.
    Maredd, ja, diesen Namen haben wir vernommen.
    Möglicherweise erfassten sie ja auch seine Gedanken.
    Weshalb seid ihr hier an der Höhle geblieben? , wollte Ragnar wissen.
    Der ältere Mann lächelte milde. Wir blieben hier, um die Schwelle zu hüten. Nicht nur gute Geister gehen an diesem Ort um. Auch die Seelen unserer Feinde, die wir einst geopfert haben, finden keinen Frieden. Wir sind hier, um unsere Nachkommen zu schützen, denn die Wächter deiner Zeit haben nicht mehr das Wissen von einst.
    Ragnar war nicht ganz klar, was der Mann meinte, aber auch er hatte an der Informationstafel an der Höhle bereits gelesen, dass hier zu Zeiten der Kelten Opferungen stattgefunden haben sollten. Tatsächlich glaubte man manchmal einen kalten Hauch aus dieser Zeit zu spüren. Irgendetwas Düsteres, das diesen alten, feuchten Steinen noch anhaftete.
    Folge mir. Auch in dir fließt das Blut unserer Ahnen.
    Zunächst stutzte Ragnar, doch dann erinnerte er sich an etwas, das seine Großeltern ihm vor langer Zeit erzählt hatten. Angeblich stammte seine Familie von einem Keltenclan aus Irland ab, und seine Vorfahrinnen waren von Wikingern geraubt und weit in den Norden gebracht worden.
    Was du suchst, befindet sich in der Grotte.
    Mit geschmeidigen Schritten ging die Frau voran, hielt auf den rechten, niedrigen Eingang zu. Ein Kribbeln durchfuhr Ragnar, als er ins kühle Innere der Höhle trat. Die Decke war vermutlich schon vor langer Zeit eingebrochen, Felsen bedeckten den Boden, durch das Loch konnte man Bäume erkennen, deren Wurzeln sich teilweise in die Felswände gekrallt hatten. Durch die Baumkronen spitzte der Himmel hervor. Die Keltin führte ihn zu einer Einbuchtung im Fels.
    Dort haben sie es versteckt. Sie deutete mit einem schlanken, mit Schmuck behängten Arm auf eine Stelle in den Felsen, die sich nicht im Geringsten von den anderen unterschied.
    Aufgeregt trat Ragnar vor und begann, Moos, Erde und kleine Steinchen mit dem Finger zu entfernen. Was mochte Lena sagen, wenn er das letzte Stück gefunden hatte? Sicher würde sie sich
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