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Das Prinzip Terz

Das Prinzip Terz

Titel: Das Prinzip Terz
Autoren: Marcus Rafelsberger
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Plastiktüte.
    Das volle Fass rollte er auf die Terrasse. Mit der zerstörten Seite nach unten stellte er es an seinen angestammten Platz.
    Er wischte Sandels Fingerabdrücke von der Flasche und warf sie in den Müll. Das Blut putzte er mit Küchenpapier auf, das er in der Toilette runterspülte. Auf der Steinskulptur und dem Tisch fand er keine sichtbaren Spuren, wischte aber sicherheitshalber auch einmal darüber. Mit dem Staubsauger beseitigte er die Splitter des zersprungenen Trinkglases und mögliche andere Überbleibsel. Sandels Manuskript versteckte er in seinem Arbeitszimmer. Natürlich würde diese Vertuschungsaktion einer professionellen Spurensuche nicht standhalten. Das musste er später machen. Aber für die Familie genügte es.
    Das Telefon klingelte. Terz meldete sich.
    »Gut gemacht«, sagte die Stimme und legte auf.
    Wutentbrannt schmiss er das Gerät auf das Sofa. Scheppernd fiel es zu Boden, sprang auf, und die Batterien rollten davon. Fluchend hastete Terz ihnen nach, setzte sie mit fahrigen Fingern wieder ein und legte den Hörer in seine Basis. Er bot einen erbärmlichen Anblick. Hemd und Haare klebten am nass geschwitzten Körper, seine Kleidung war schmutzverschmiert. Er hastete ins Bad.
    Unter der sanften Massage der Wasserstrahlen entspannten sich seine Muskeln langsam. Während er die vergangenen Minuten abzuwaschen versuchte, hörte er die Kinder in die Wohnung stürmen. Seine Schläfen pochten, die Seife glitt ihm zweimal aus der Hand, und jedes Mal unterdrückte er einen Fluch nur halb. Beim Abtrocknen begann er sich etwas zu beruhigen.
    Für den Abend wählte er den dezent-herben Duft eines kleinen englischen Parfumeurs, mit dem er angenehme Erinnerungen verband. In einen Bademantel gewickelt trat er ins Wohnzimmer. Durch die Glasfront strahlte die Sonne und ließ die Wände leuchten.
    Elena und seine Mutter räumten in der Küche, Kim und Lili flogen ihm entgegen.
    »Vatermaster!«
    »Papa-o!«
    Wusste der Teufel, woher sie neuerdings diese seltsamen Bezeichnungen für ihn hatten.
    Terz wirbelte Lili hoch. Sie roch nach frischer Luft.
    »Ratervater, ich habe ein Tor geschossen!«, krähte die Sechsjährige über seinem Kopf.
    »Ich auch, ich auch«, wollte ihre achtjährige Schwester nicht nachstehen.
    Elena kam aus der Küche, und er begrüßte sie mit einem Kuss.
    »Mh, che buono , wie gut du riechst«, sagte sie mit ihrer dunklen, immer etwas heiseren Stimme.
    Dem überwiegenden – weil männlichen – Teil von Terz’ Kollegenschaft war sein Faible für wohlriechende Essenzen bislang entgangen. Wahrscheinlich, weil er es in deren Einsatz über die Jahre zu einer Meisterschaft des Dezenten gebracht hatte. Das weibliche Geschlecht dagegen bemerkte es im Allgemeinen wohlwollend.
    »In diesen Belangen bist du wie eine Frau«, zog Elena ihn immer auf.
    Jetzt musterte sie ihn und fragte: »Ist was?«
    Ich will heute Abend nicht zu Konsul Meyenbrincks Fest gehen, hätte er am liebsten gesagt und einen Vorwand erfunden. Doch Elena hatte ein untrügliches Gespür für Ausreden. Und ihr Misstrauen durfte er jetzt keinesfalls wecken.
    »Nichts«, antwortete er so unbefangen wie möglich. Sie gingen in die Küche, wo seine Mutter aus einem halben Dutzend Tüten Einkäufe in den Kühlschrank sortierte.
    »Gib Acht, wo du hintrittst«, begrüßte sie ihn freundlich-streng. Nie versiegende Mutterliebe aus einer Zeit, da der pubertierende »Konni« seine spinnenartigen Gliedmaßen so geschickt koordinierte wie ein sturzbesoffener Puppenspieler seine Marionetten. Mit dem liebevollen Ärger des erwachsenen Sohnes über solch unvermeidlich wiederkehrende Ermahnungen drückte er ihr einen Kuss auf die Wange. Braun gebrannt, schlank, mit den karierten Hosen und der sportlichen Bluse schien sie eben vom Golfplatz zu kommen. Sie sah zehn Jahre jünger als achtundfünfzig aus.
    Draußen tobten die Kinder, und Terz wollte sie zur Ruhe rufen. Er trat ins Wohnzimmer, und ihm stockte der Atem. Sie spielten Fangen um das Fass auf der Terrasse! Mit ihren kleinen Händen hielten sie sich am oberen Rand fest. Die Tonne vibrierte.
    Terz stürzte zur Tür, doch dann wurde er sich seiner Aufregung bewusst und zügelte seinen Schritt. Er spürte sein Herz bis zum Gaumen pochen. Möglichst ruhig sagte er: »Kinder, helft Omi bitte in der Küche.«
    Die Mädchen liefen weiter, während sie ihn ansahen. Sein erneuter Blick war offenbar ernst genug, um sie zu stoppen. Sie hielten an, ließen das Fass aber noch immer
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