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Das Prinzip Terz

Das Prinzip Terz

Titel: Das Prinzip Terz
Autoren: Marcus Rafelsberger
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Loslassen! So wirst du mich nicht los! Ah! Fass mich nicht an!«
    Noch einmal das furchtbare Geräusch des fallenden Körpers.
    »Das müssen die Kollegen natürlich nicht erfahren«, sagte die fremde Stimme.
    »Verdammt, Sie haben sehr gut gesehen, dass ich unschuldig bin!«
    »Das beweisen Sie einmal Ihren Kollegen.«
    »Sie sollten mir helfen, statt –«
    »Jeder hilft sich selbst«, schnitt der Anrufer Terz das Wort mit einem meckernden Lachen ab. »Sie landen im Gefängnis. Adieu, Bulle.«
    Kam sich wohl witzig vor mit seinem Filmtitelzitat. Aber der Mann hatte Recht. Sandels Leiche, das Manuskript und die Tonbandaufnahme würden die Phantasie einiger neidischer Kollegen zu Höhenflügen inspirieren. Die Unfallvariante würde ihm niemand abkaufen. Sandel war so unglücklich gestürzt, dass die tödliche Verletzung oberhalb der imaginären Hutkrempenlinie lag. Eine kriminaltechnische Faustregel sagte, dass unfallbedingte Kopfverletzungen meist unterhalb jener Linie lagen, an der eine gedachte Hutkrempe den Kopf umschloss. Mörder dagegen schlugen im Allgemeinen darüber zu.
    »Sie werden die Leiche wohl verschwinden lassen müssen. Bevor Ihre Familie nach Hause kommt – oder jemand die Polizei ruft.«
    »Was wollen Sie?« Er hasste dieses Ausgeliefertsein. Der andere war am Drücker, und er konnte nichts dagegen tun.
    »Geld, was denken Sie?« Tut. Tut. Tut.
    Terz schleuderte das Telefon ins Sofa. Dann griff er wieder hin. Zögerte. Wenn er jetzt anrief, war seine Karriere zu Ende. Und nicht nur sie.
    »Starkommissar prellt armen Autor um Erfolg und ermordet ihn!« Die Wahrheit würde niemanden interessieren. Selbst wenn sie irgendwann herauskam.
    Elena und die Kinder mussten jeden Moment in der Tür stehen. Wohin mit dem toten Sandel? In Gedanken raste er durch die Wohnung. Im Wohnzimmer war kein Platz. Die Schlaf- und Kinderzimmer kamen nicht in Frage. Überhaupt hasste er den Gedanken, sein Heim mit einer Leiche zu teilen. Er brauchte ein Zwischendepot. Morgen konnte er den Körper woanders entsorgen.
    Sie hatten ein Kellerabteil. Aber wie brachte er die Leiche unbemerkt hinunter? Sie besaßen keinen Koffer, der groß genug war. In einen Teppich gewickelt? Der einzige lag im Wohnzimmer, war zu groß und zu schwer.
    Im Hof balzten zwei Amseln um die Wette.
    Die Terrasse. Das Fass. Elenas italienische Verwandte hatten ihnen das ausgediente Weinbehältnis zur Wohnungseinweihung geschenkt. Er hatte es zu rustikal gefunden, aber nichts gesagt und es dem Familienfrieden zuliebe als Stehtischchen auf die Terrasse platziert. Er stürzte hinaus. Von einem der umliegenden Fenster wurde er jetzt beobachtet. Entdecken konnte er niemanden. Er kippte das Fass, rollte es ins Wohnzimmer und stellte es auf. Die Oberseite war fest verschlossen. Er bearbeitete sie mit Fäusten und den Ellbogen, holte sich aber nur Prellungen und blaue Flecken. Nervös lauschte er. Waren im Treppenhaus Schritte oder die Stimmen der Kinder zu hören?
    Er hastete auf die Terrasse zurück. In einem großen, schweren Tontopf zog Elena Rosen. Terz schleppte ihn ins Wohnzimmer. Mit zitternden Muskeln stemmte er ihn auf Brusthöhe. Krachend durchbrach der Topf die Fassoberseite und blieb stecken.
    Mit Mühe zwang er ihn wieder heraus. Sein Hemd klebte durchgeschwitzt am Körper.
    Modriger Weingeruch stieg ihm entgegen, als er sich über die Öffnung beugte. Groß genug musste sie eigentlich sein. Die zersplitterten Bretter legte er neben das Fass.
    Terz durchsuchte die Taschen des Toten. Im Mantel fand er einen Schlüsselbund und steckte ihn ein. Aus der Küche holte er eine Plastiktüte. Er zog sie über Sandels Kopf. Kein Haar sollte an der Fassinnenseite haften bleiben. Auf dem Boden klebten nur ein paar Blutstropfen.
    Er schob seine Arme unter Rücken und Schenkel des Toten. Sandel war leichter, als die untersetzte Gestalt vermuten ließ. Terz setzte ihn in die Öffnung. Rumpf und Beine rutschten in den Hohlraum, bis sie an Achseln und Kniekehlen hängen blieben. Der eingehüllte Kopf kippte auf die Brust.
    Terz hob die widerspenstigen Glieder, half nach. Der Körper sackte in das Fass, bis nur mehr die Füße herausragten. Terz schob und drückte, bis auch sie verstaut waren. So gelenkig war der im Leben sicher nie gewesen. Er achtete darauf, dass Sandels Hände das Holz nicht berührten. Die zersplitterten Reste der einstigen Oberseite setzte er wieder ein, aber eine große Lücke blieb frei. Terz verklebte sie notdürftig mit einer weiteren
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