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Das Prinzip Terz

Das Prinzip Terz

Titel: Das Prinzip Terz
Autoren: Marcus Rafelsberger
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der Abendsonne genießen, bevor Elena mit den Kindern vom Hockeytraining kam.
    Seit sie vor zwei Monaten ihre achtzig Quadratmeter große Altbauwohnung in der Mannsteinstraße verlassen und das mehr als doppelt so große ausgebaute Dachgeschoss in der Straße mit dem hübschen Namen »Jungfrauenthal« bezogen hatten, genoss er das Nachhausekommen noch mehr. Alte Bäume trennten die Fahrbahn vom Gehweg und von den immer sauber wirkenden Bürgerhausfassaden aus dem neunzehnten Jahrhundert. Keine Bausünde verschandelte die Straße, wie die meisten Kriege hatte auch der letzte hauptsächlich die Viertel der Arbeiter verwüstet, während das noble Eppendorf weitgehend verschont worden war. Ebenso war die in Hamburg zu allen Zeiten gern und mit wenig Sentimentalität betriebene Zerstörung alter Stadtteile zugunsten neuer Geschäftsinteressen während des vergangenen Jahrhunderts dank seiner vermögenden Bewohner an weiten Teilen Eppendorfs vorbeigegangen. Geld verändert die Welt immer nur dort, wo es nicht selbst wohnt.
    Das fünfgeschossige Gebäude, auf dem ihre Wohnung thronte, blitzte in weißem Jugendstil, florale Dekorationen rankten sich die Fassade empor und umschlossen die Fenster. Die glasgeschmückte Eingangstür, zu der vier Stufen hochführten, war von zwei Säulen eingefasst.
    Gut gelaunt pfeifend bog Terz auf den Zugangsweg des Hauses, als aus dem Schatten der Säulen eine Gestalt trat. Der Mann verschwand fast in seinem Mantel, die Arme umklammerten eine Pappmappe vor der Brust. In Terz stieg Ärger hoch.
    »Sie schon wieder!«
    »Sie werden mir jetzt zuhören«, forderte der andere. Sich vorzustellen kam ihm immer noch nicht in den Sinn.
    Terz schob ihn beiseite. »Ich werde jetzt duschen gehen.«
    Doch der Mann folgte ihm in den kühlen Hausflur.
    »Ich komme gerade von einer Leiche und hätte gern etwas Ruhe.«
    »Da haben Sie aber den falschen Beruf, wenn Sie keine Leichen vertragen.«
    »Wenn Sie so weitermachen, rufe ich ein paar Kollegen.«
    »Tun Sie das. Dann erfährt jeder, was Sie in Wirklichkeit sind.«
    Der Aufzug kam mal wieder nicht. Terz nahm die Treppe.
    »Warten Sie!«
    Mit seinen langen Beinen nahm Terz drei Stufen auf einmal und hatte seinen Verfolger im ersten Stock abgehängt.
    Unter dem Dach glich die Luft feuchtwarmer Watte. In der Wohnung war es kühler, aber schwül. Terz warf das Sakko über einen Stuhl neben der Tür und rollte die Hemdsärmel hoch. Nachdem er die Schuhe sorgfältig aufgespannt und zu den anderen ins Regal gestellt hatte, ging er ins Wohnzimmer und öffnete die Tür zur Dachterrasse.
    Noch immer liebte er solche Momente, obwohl er ihren Preis kannte. Sie hatten den zweihundert Quadratmeter großen Dachboden vor einem Jahr gekauft und ausgebaut. Die Kosten hatten den geplanten Rahmen überschritten und sie trotz zweier Einkommen, gutem Geld aus dem Verkauf seiner Bücher und elterlicher Unterstützung an die finanzielle Schmerzgrenze geführt. An der Einrichtung erkannte man, dass sie erst vor zwei Monaten eingezogen waren. Noch war es eine Wohnung, kein Zuhause.
    Er genoss den frischen Luftzug, als die Türglocke läutete.
    Ein Blick durch den Spion bestätigte seine Befürchtungen: Vom Fischauge verzerrt, starrte ihm der ungepflegte Kopf entgegen. Es hörte nicht auf zu klingeln.
    Terz riss die Tür auf. »Ihre Hartnäckigkeit ist bewundernswert. Aber zwecklos.«
    Der andere streckte ihm den Papierstapel vor das Gesicht. Terz zuckte zurück, und der Mann stolperte schwer atmend durch die Tür. Kleine Schweißtropfen wuchsen auf Stirn, Nase und Oberlippe.
    »Dieses Manuskript schickte ich vor Jahren an Ihren Verleger, Herr Kommissar. Lange bevor Ihr erstes Buch erschien. Ich nehme an, Sie kennen es.«
    Terz las die Schreibmaschinenschrift auf dem schmuddeligen Titelblatt: »Sicher Sein. Eine Idee und ein Exposé von Gernot Sandel.«
    Terz stand im Wohnzimmer und studierte die Papiere. Sandel stank nach Schweiß und staunte.
    »So eine Wohnung kann man sich vom Gehalt eines Kommissars leisten?«
    »Irgendwo muss der Staat seine Überschüsse ja verschwenden«, meinte Terz abwesend.
    Sandel wanderte zwischen Kamin, Sitzgruppe und Klavier umher und schielte auf die Galerie, hinter der noch zwei Arbeitszimmer lagen. Die sechs Meter hohe Glaswand zur Dachterrasse ließ großzügig Licht ein und gewährte freien Blick über die Baumwipfel der weitläufigen Gärten, die von den Häusern umschlossen wurden.
    In der Mitte des Raumes gruppierten sich zwei Sofas und drei
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