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Sakuro, der Daemon

Sakuro, der Daemon

Titel: Sakuro, der Daemon
Autoren: Jason Dark (Helmut Rellergert)
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    Sakuro, der Dämon

    »Wir alle, die wir hier versammelt sind, bedauern aus tiefstem Herzen den Tod unseres allseits geschätzten Earl Brandon. Möge er in Frieden ruhen.« Der Redner steckte seinen Notizzettel ein, wischte sich mit einem blütenweißen Taschentuch theatralisch über die Augen und verließ das Pult, um in der ersten Reihe der Trauergäste Platz zu nehmen.
    In der geschmückten Trauerhalle war es nach diesen Worten fast totenstill. Nur eine ältere Frau schluchzte leise vor sich hin. Gleich würde von einem Tonband Trauermusik aufklingen und der schwere, mit Blumen und Kränzen geschmückte Sarg in die Verbrennungskammer gleiten. Vorn in der ersten Reihe saß Kenneth Brandon, der Sohn des Verstorbenen. Sein sonst sonnengebräuntes Gesicht war nur noch eine Maske, und er starrte unentwegt auf den Sarg.
    Plötzlich geschah das Unfaßbare. Ein Schrei zerschnitt die Stille. Jeden, der ihn hörte, packte das kalte Entsetzen. Der Schrei war aus dem verschlossenen Sarg gekommen.

    Als erster faßte sich Kenneth Brandon. Der junge Mann sprang auf und lief auf den Sarg zu, der sich im gleichen Moment in Bewegung setzte und auf den Schienen lautlos in Richtung Verbrennungskammer rollte.
    Schwere Trauermusik setzte ein.
    Kenneth Brandon warf sich auf den Sarg.
    »So helft doch!« schrie er. »Mein Gott, helft! Vater ist nicht tot. Er lebt. Ich habe doch seinen Schrei gehört!«
2
    Kenneth' Fingernägel bohrten sich in die Verzierungen des Deckels, so, als könnten sie das schwere Holz aufkratzen. Blumen und Kränze fielen zur Seite, während der schwere Sarg unaufhaltsam der Verbrennungskammer entgegenglitt.
    Die anderen Trauergäste saßen wie festgewachsen auf ihren Plätzen. Sie beobachteten mit weit aufgerissenen Augen das makabre Schauspiel.
    Langsam glitt die Tür der Verbrennungskammer hoch.
    Kenneth Brandon starrte auf den Rost, über dem schon die bläulichen Gasflämmchen flackerten. Nur noch Sekunden, dann würden sie den Sarg erfassen.
    Jemand schlug mit aller Kraft von innen gegen den Sargdeckel.
    »Vater!«
    Kenneth' Stimme überschlug sich. Sie hatte nichts Menschliches mehr an sich.
    Verzweifelt versuchte der junge Mann den Deckel aufzureißen, setzte seine gesamte Kraft ein.
    Vergebens.
    Kenneth Brandon rutschte ab und blieb dicht vor dem Ofen schluchzend stehen.
    Der Sarg fuhr weiter, begleitet von brausenden Orgelklängen.
    Mit einer hilflosen Gebärde streckte Kenneth beide Arme aus, als könne er das unabwendbare Schicksal aufhalten.
    Langsam glitt die schwere Schiebetür wieder zu. Kenneth Brandon konnte sehen, wie die ersten Flammen das Holz erfaßten.
    Und er sah noch etwas anderes.
    Eine riesige Gestalt, die triumphierend grinste und die einen Totenkopf unter dem Arm trug. Aus den leeren Augenhöhlen des Totenkopfes tropfte Blut auf den Sarg.
    Dann war die Tür zu.
    Kenneth Brandons Körper wurde von einem krampfhaften Schluchzen geschüttelt. Der junge Mann war am Ende seiner Nervenkraft. Er hatte etwas gesehen, was es nicht gab, was es nicht geben durfte.
    Hilfreiche Hände zogen Kenneth hoch. Jemand setzte ihm eine Flasche an die Lippen.
    Der Whisky rann wie Feuer durch seinen Hals. Kenneth mußte husten. Verstört öffnete er die Augen und sah in das Gesicht von Sheila Hopkins, seiner Verlobten.
    »Trink das, Kenneth«, sagte Sheila. »Es wird dir guttun.«
    Der junge Mann schluckte. Dann richtete er sich auf.
    Die anderen Trauergäste hatten ihn umringt, starrten ihn mit teils neugierigen, teils entsetzten Blicken an.
    Sheila strich ihm sanft über das Haar. »Du mußt jetzt gehen«, flüsterte sie. »Du brauchst Ruhe. Es war alles ein wenig zuviel für dich.«
    Kenneth schüttelte den Kopf. »Nein«, erwiderte er bestimmt. »Ich hätte mir denken können, daß es so kommt. Der Fluch hat sich erfüllt.«
    »Welcher Fluch?« fragte Sheila.
    »Sakuro, der Magier. Seine Rache hat uns eingeholt.«
    Kenneth' Stimme klang dumpf, als käme sie aus einem Grab. Die anderen Trauergäste wandten sich schaudernd ab. Sie hatten soeben das Grauen erlebt . . .
    *
    Die Brandons wohnten in einem kleinen Ort an der englischen Südküste.
    Ihr Haus stammte noch aus dem vorigen Jahrhundert, war jedoch modernisiert worden und bot jeden erdenklichenKomfort. Eine hohe Steinmauer umschloß das Grundstück, so daß das Haus praktisch von der übrigen Welt abgeschnitten war. Der große Park war ver-3

    wildert. Bäume, Sträucher und Unkraut hatten einen fast undurchdringlichen
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