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Das Prinzip Terz

Das Prinzip Terz

Titel: Das Prinzip Terz
Autoren: Marcus Rafelsberger
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willkürlich aussahen. Die senkrechten, waagerechten und gebogenen Schlitze ergaben ein Muster. Wer immer den Mann so zugerichtet hatte, hatte sich nicht damit zufriedengegeben, ihn ins Koma zu prügeln. Er hatte eine Botschaft hinterlassen.
    Eine Botschaft aus sechs Buchstaben. Ein Wort.
    »Terror«, murmelte sie. »Das schreiben Skinheads oder Hells Angels auf ihre Jacken und Fingerknöchel.«
    Auch in Wien gab es immer wieder Übergriffe auf Ausländer. Doch an einen so gewalttätigen konnte sich Petzold nicht erinnern. In den vergangenen Jahren hatten sich ausgerechnet Kollegen am unrühmlichsten hervorgetan. Bei Abschiebungen von Asylanten hatten sie rücksichtslos oder gar billigend deren Tod in Kauf genommen. Ebenso hatte der Festnahmeversuch eines einfachen Mitbürgers mit der falschen Hautfarbe geendet, andere waren bei ähnlichen Gelegenheiten misshandelt oder verletzt worden.
    Petzold packte der Zorn. Am liebsten hätte sie Pribil am Kragen an die Bahre gezerrt und mit der Nase in die blutige Brust gestoßen. Sehen Sie sich das an! Idioten wie Sie sind schuld daran, dass andere Idioten sich zu Verbrechen wie diesem ermutigt fühlen! Dass sie einem Mann alle Knochen brechen, ihn fast totschlagen, bis man sein Gesicht nicht mehr als das eines Menschen erkennt!
    »Oder es ist damit Terrorist gemeint«, sagte Pribil und zückte sein Mobiltelefon. »Ich rufe das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung an.«
    »Unsinn!«, rief Petzold und biss sich sofort auf die Lippen.
    Pribils Miene verhärtete sich.
    »Ich meine nur«, versuchte Petzold zu erklären, »ein Terrorist schneidet dem anderen doch nicht dieses Wort in die Brust.« Sie hatte ein undefinierbares Gefühl beim Anblick der Verletzungen, eines, das ihr sagte, dass dahinter etwas ganz anderes stecken musste.
    Das Handy am Ohr, erwiderte ihr Chef kalt: »Das zu beurteilen überlassen wir doch besser den Profis.«
    Ihrem Vorgesetzten ging es nicht um eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen der Wiener Polizei, das wusste Petzold genau. Nein, der faule Hund wollte einfach zurück auf seine Dienststelle und schlafen. Aber Petzold wollte diesen Fall behalten!
    Wie in jedem Unternehmen herrschten auch bei der Polizei Kompetenzgerangel, Eifersüchteleien und Eitelkeiten zwischen Personen und Abteilungen. Freiwillig gab kaum jemand einen Fall ab. Lia Petzold ebenso wenig, nicht einmal an Revierkollegen. Auch dieser Fall stellte die klassische Zuständigkeitsfrage. Wer sollte ihn übernehmen? Das Kriminalkommissariat West? Eine der Gruppen für Gewaltdelikte aus der Kriminaldirektion Eins? Die waren normalerweise für Morde und Mordversuche zuständig und würden sich ohnehin irgendwann einmischen. Und jetzt also noch das BVT .
    Sie setzte zu einem weiteren Argument an, doch Pribil drehte sich zur Seite und begann sein Gespräch. Nach zwei Minuten angeregter Erklärungen schob er das Telefon zurück in seine Hosentasche und erklärte: »Sind gleich da.«
    Sie würde ihre Ermittlungen einfach beginnen. Je früher sie die Initiative ergriff, desto schwerer würde man später auf sie verzichten können.
    An Händen und Unterarmen des Opfers erkannte sie weder Abwehrverletzungen noch Spuren von Fesseln. Finger und Fußnägel waren gepflegt. Die gesamte Konstitution wies auf einen Kopfarbeiter hin.
    »Sagen Sie kein Wort über die Brustverletzungen zu den Medien«, befahl Petzold dem Arzt. Bevor es konkrete Hinweise gab, wollte sie Spekulationen in der Öffentlichkeit verhindern. Aufgeschreckte und profilierungssüchtige Politiker hatten noch keiner Ermittlung genützt.
    »Das Leintuch, auf dem er jetzt liegt, und das, mit dem er zugedeckt ist, werfen Sie nicht in die Wäsche, sondern geben Sie nachher unserer Spurensicherung. Vielleicht hinterlässt er darauf Spuren, die wir jetzt nicht sichern können. Und der Notarzt im Krankenhaus soll alle Gazestücke, Watte oder womit immer er den Mann und seine Wunden reinigt, ebenfalls verpacken. Die Spurensicherung braucht sie auch.«
    »Sonst noch Wünsche?«
    »Machen Sie ihn wieder gesund.«
    Der Arzt lachte kurz und bitter. »Auch wenn er Terrorist ist? Desinfektion bitte.«
    »Solange wir das nicht wissen, ist er für mich nur ein Opfer.«
    »Und wenn wir es wüssten?«
    »Bleibt er trotzdem ein Mensch. Haben wir hier Zeit für eine philosophische Diskussion?«
    Lia Petzolds Blick suchte den nächsten Streifenpolizisten.
    »Wer hat den Mann gefunden?«
    »Der Bewohner
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