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Das Prinzip Terz

Das Prinzip Terz

Titel: Das Prinzip Terz
Autoren: Marcus Rafelsberger
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gefunden«, rechtfertigte sich der Uniformierte. »Da müssen wir ja …«
    »Schon gut«, winkte Bohutsch unwirsch ab. Als wäre Petzold gar nicht mehr anwesend, schob er sich zwischen sie und den Polizisten, wodurch die vier Männer eine Runde bildeten.
    »In diesem Haus leben also Syrer?«
    »Ja.«
    Keinen Augenblick länger hatte Lia Petzold vor, mit diesen Typen vernünftig zu reden. An die Machos bei der Polizei hatte sie sich gewöhnt, akzeptieren musste sie das Verhalten eines Bohutsch deshalb noch lange nicht. Sie drängte sich in den Kreis und fixierte den Uniformierten.
    »Haben die Nachbarn ein Alibi?«
    Sein Blick sprang unruhig von Petzold zu den anderen und zurück. »Ja. Gäste. Ich habe die Namen.«
    »Wer Personenschutz braucht, hat vielleicht auch Überwachungskameras installiert«, sagte Bohutsch.
    Erleichtert darüber, sich vor dem Ranghöheren beweisen zu können, hielt der Polizist eine DVD hoch.
    »Hier sind die Aufnahmen der vergangenen zehn Stunden. Sie haben mir die Monitore gezeigt. Zehn Stück. Die Leute haben was zu sichern. Allerdings beobachten die nur das Grundstück, entlang der Zäune und vor dem Eingang. Nicht die gegenüberliegende Straßenseite.«
    »Wäre auch zu schön gewesen«, grollte Bohutsch.
    »Vor allem zu dunkel«, bemerkte Petzold spöttisch.
    Krischintzky griff nach der DVD , bevor Petzold es tun konnte. »Die nehmen wir mit. Der Fall ist ab sofort unserer. Das heißt, offiziell bleibt er natürlich vorläufig bei Ihnen, Doktor Pribil, wir wollen ja die Pferde nicht scheu machen. Deswegen sind Sie sicher einverstanden, wenn Frau Petzold uns zur Hand geht, indem sie hier die Befragungen fortführt. Am besten besucht sie auch die Bewohner der benachbarten Gassen.«
    »Selbstverständlich«, erklärte Pribil.
    Den Gefallen, sich über die Gutsherrenart der drei Männer zu ärgern, würde Petzold ihnen nicht tun.
    »Ist schließlich mein Job«, erklärte sie. Und mit einem jovialen Stupser gegen Bohutschs Wampe: »In meinem Alter fällt einem das ja noch leicht.«
    Als Petzold sein Fluchen hörte, hatte sie die Gruppe bereits hinter sich gelassen.

Festgefroren in der Zeit
    Niemand hatte etwas gesehen oder gehört. Müde kehrte Lia Petzold gegen sieben Uhr morgens ins Kommissariat zurück. Sie tippte ein kurzes Protokoll und brachte es mit einem Tastendruck und einem stummen Fluch als E-Mail auf den Weg zu den BVT -Beamten und Pribil. Sie stellte den Computer ab und setzte sich in ihren altersschwachen Peugeot 205. Am Himmel stand keine Wolke. Die Stadt durfte sich auf einen weiteren Tag im Backofen vorbereiten. Auf dem Weg in den siebten Bezirk hielt sie am Yppenmarkt. Bei einem Espresso zwischen den nach und nach öffnenden Ständen ließ sie die Nacht Revue passieren. Das zunehmende Treiben und die Gerüche des morgendlichen Marktes brachten sie auf andere Gedanken. Sie schlenderte weiter über den Brunnenmarkt und sog tief die Melange aus exotischen Gewürzen, Oliven, Schafskäse, frischem Gemüse und abgespritzter Straße ein. Bei den türkischen Händlern kaufte sie Obst und ein Päckchen frischer Hühnerherzen.
    Dann fiel ihr wieder ein, wohin sie noch wollte.
    »Wir haben ihn die ganze Nacht operiert.« Der Arzt eilte ihr durch den Flur voraus. Von der Decke strahlte kaltes Neonlicht. Menschen in weißen Kitteln oder Bademänteln kamen ihnen entgegen. Manche saßen in Rollstühlen, andere quälten sich mit Krücken, wieder andere zogen auf dünnen Gestellen Infusionsflaschen wie Haustiere mit sich. Petzold hasste Spitäler sowieso und die gigantischen Klötze des Allgemeinen Krankenhauses im neunten Bezirk besonders.
    »Jetzt liegt er im künstlichen Tiefschlaf. Da wird er ein paar Tage bleiben.«
    »Und dann wacht er auf?«
    »Wissen wir noch nicht. Joch-, Stirn- und Schläfenbein sind gebrochen, die Schädelbasis und der Kiefer ebenfalls. Wir mussten eine Drainage einsetzen, um den Hirndruck zu verringern. Vier Rippen, das Brust- und ein Schlüsselbein, zwei angeknackste Wirbel. Drei gebrochene Finger. Und dann natürlich die Brust. Er hat sehr viel Blut verloren.«
    Petzold reichte ihm eine Visitenkarte.
    »Wenn er aufwacht, rufen Sie mich bitte sofort an. Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit.«
    Vor den Liften mussten sie lange warten. Der Arzt wusste nicht, was er noch sagen sollte. Angestrengt studierten beide die Anzeige. Im Intensivstockwerk ging es ruhiger zu. Nur das Personal war unterwegs. Kittel, Socken, Schuhe, so weiß wie das Licht an der Decke.
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