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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch
Autoren: brooks
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Teller vom Tablett zu nehmen. »Aber auch wenn wir genug Hände für die normalen Arbeiten hätten – zum Unkrautjäten und für den Rückschnitt –, so war’s doch nicht ihr Ga r ten. Ihr Blick würde uns fehlen. Denn das hat ihn zu ihrem Garten gemacht: die Art und Weise, wie sie sich im Winter beim Betrachten einer Hand voll winziger Samen vorstellen konnte, welche Blütenpracht M o nate später im Sonnenlicht da r aus entstehen würde. Es war, als malte sie mit Blumen.«
    Als ich mich aufrichtete, hatte er sich umg e wandt und starrte mich an. »Du hast sie wirklich gekannt!« Es klang, als wäre ihm das eben erst eingefallen.
    Um meine Verwirrung zu verbergen, platzte ich mit dem heraus, was ich eigentlich so vorsic h tig übermitteln hatte wollen. »Miss Bradford ist im S a lon. Die Familie ist wieder im Herrenhaus. Sie sagt, sie müsse dringend mit Ihnen sprechen.«
    Was dann geschah, verblüffte mich so sehr, dass ich beinahe das Tablett fallen ließ. Er lachte. Ein vo l les, amüsiertes Lachen. Ich hatte verge s sen, wie so etwas klang, so lange hatte ich es schon nicht mehr gehört.
    »Ich weiß, ich habe sie gesehen. Hat wie eine B e lagerungsmaschine gegen meine Tür gedo n nert. Ich dachte schon, sie wolle sie einreißen.«
    »Welche Antwort soll ich ihr geben, Hochwü r den?«
    »Sag ihr, sie soll zur Hölle fahren.«
    Beim Anblick meines Gesichtes lachte er wi e der. Meine Augen müssen tellergroß gewesen sein. Mü h sam rang er um Fassung, während er sich eine Lac h träne aus dem Auge wischte. »Nein, man kann wohl kaum von dir erwarten, dass du solch eine Botschaft überbringst. Fasse sie in dir genehme Worte, egal, welche, aber übermittle Miss Bradford, dass ich sie nicht empfangen we r de, und schaff sie aus diesem Haus.«
    Mir kam es vor, als ginge ich in doppelter Ge s talt die Treppe hinab. Die eine war das ve r schüchterte Mädchen, das in ständiger Angst für die Bradfords gearbeitet und ihre harten Blicke und bitteren Worte gefürchtet hatte. Die and e re war Anna Frith, eine Frau, die mehr Schrecken Aug’ in Auge gegenübe r gestanden war als viele So l daten. Elizabeth Bradford war ein Feigling, die Tochter von Feiglingen. Als ich ihr im Salon en t gegentrat, wusste ich, dass ich von ihr nichts mehr zu befürchten hatte.
    »Tut mir Leid, Miss Bradford, aber der Herr Pfa r rer sieht sich gegenwärtig außer Stande, Sie zu em p fangen.« Ich hielt meine Stimme möglichst au s druckslos, aber als die Unterkiefer in ihrem wüte n den Gesicht zu mahlen begannen, ertappte ich mich beim Gedanken an meine wiederkäuende Kuh. Mi s ter Mompellions befremdlicher He i terkeitsanfall wirkte ansteckend. Nur mit großer Mühe gelang es mir, Haltung zu bewahren und fortzufahren. »Wie bereits erwähnt, kommt er derzeit keinerlei seelso r gerischen Pflichten nach und begibt sich weder in Gesellschaft, noch empfängt er irgendwelche Pers o nen.«
    »Wie kannst du es wagen, mich süffisant anz u grinsen, du freche Schlampe!«, schrie sie. »Mich wird er nicht abweisen, das wagt er nicht. Aus dem Weg!« Sie trat auf die Türe zu, aber ich war schneller und stellte mich ihr wie ein Hirtenhund, der auf einen ungebärdigen Hammel trifft, in den Weg. Einen la n gen Augenblick starrten wir ei n ander an. »Na gut«, sagte sie und nahm ihre Handschuhe vom Kami n sims, als ob sie gehen wollte. Daraufhin trat ich be i seite, da ich sie e i gentlich zur Vordertüre bringen wollte, aber stattdessen drückte sie sich an mir vorbei und war schon halb die Treppe hinauf, als der Pfarrer höchstpersönlich oben auftauchte.
    »Miss Bradford«, sagte er, »hätten Sie die Güte, dort zu bleiben, wo Sie sind.« Trotz seiner leisen Stimme ließ sein gebieterischer Tonfall sie wie a n gewurzelt stehen bleiben. Die gebeugte Haltung der letzten Monate war wie weggeblasen, hoch aufg e richtet und kerzengerade stand er da. En d lich war er wieder am Leben. Und nun konnte ich trotz seines Gewichtsverlustes erkennen, dass die Auszehrung in seinem Gesicht keine zerstörerischen Spuren hinte r lassen, sondern ihm sogar noch Charakter verliehen hatte. Es hatte eine Zeit gegeben, wo man bei seinem Anblick vielleicht behauptet hätte, er habe ein nichts sagendes G e sicht. Nur seine tief liegenden grauen Augen hatten in ihrer Lebendigkeit immer schon b e eindruckt. Jetzt lenkten seine hohlwangigen Züge den ganzen Blick so sehr auf diese Augen, dass man sich ihnen nicht mehr entziehen konnte.
    »Ich wäre Ihnen sehr verbunden,
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