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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch
Autoren: brooks
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kochte sie mit Heideblüten, eine viel we i chere Seife als die, die ich für ihn machte. Seine Se i fe bestand fast zur Gä n ze aus Sand und Unschlitt. Musste ja so sein, damit er sich den Schweiß und die Rußschicht von der Haut scheuern konnte. Dann ve r grub er immer sein armes müdes Gesicht in den Ha a ren der Kleinen und atmete ihren frischen Duft ein. Näher kam er den luftigen Hügeln nicht. Bei Tage s anbruch in die Grube hinunter und nach Sonnenu n tergang wieder heraus. Ein Leben im Du n keln. Und dort auch ein Sterben.
    Und jetzt ist es Elinor Mompellions Mann, der den ganzen Tag bei geschlossenen Läden im Du n keln sitzt. Und ich versuche, ihm zu dienen, o b wohl mich manchmal das Gefühl beschleicht, ich würde ledi g lich noch einen aus jener langen T o tenprozession versorgen. Und doch tu ich’s. Ich tu’s für sie. Für sie tu ich’s, rede ich mir ein. W a rum sollte ich’s denn sonst tun?
     
    An solchen Abenden öffnet sich hinter meiner Hau s tür eine lastende Stille, die wie eine Decke auf mich herabfällt. Von allen einsamen Augenblicken in me i nem Tageslauf ist dieser stets der einsamste. Wenn das Sehnen nach einer menschlichen Stimme zu he f tig wird, habe ich mich schon manchmal, ich gesteht, hinreißen lassen, meine Gedanken wie eine Irrsinn i ge laut vor mich hin zu murmeln. Doch dies gefällt mir gar nicht, denn ich befürchte, dass zur Zeit die Grenze zwischen mir und dem Irrsinn spinnwebe n fein ist. Obendrein habe ich schon mit eigenen A u gen gesehen, was es heißt, wenn eine Seele an jenen elenden Dämmerort hinüberwechselt. Und doch ge s tatte ich, die immer so stolz auf ihre Anmut war, mir heute bewusst ein tollpatschiges B e nehmen. Ich lasse meine Füße schwer auftreffen, klappere mit dem Herdbesteck, und wenn ich Wasser herau f ziehe, lasse ich die Eimerkette über den Stein schrappen, nur um anstatt der erstickenden Stille ein grelles Geräusch zu hören.
    Wenn ich einen Unschlittstummel habe, lese ich, bis er flackert. Mistress Mompellion erlaubte mir immer, die Stummel aus dem Pfarrhaus mitzune h men. Heutzutage gibt es nicht mehr viele davon, und doch wusste ich nicht, wie ich ohne sie zu Rande käme. Denn die Stunde, in der ich mich in den G e danken eines anderen verlieren kann, erleichtert mir die Last meiner eigenen Erinn e rung. Doch wenn das Licht erloschen ist, werden die Nächte lang. Ich schlafe schlecht. Im Schlu m mer tasten meine Arme nach den kleinen warmen Körpern meiner Kinder, und wenn ich sie nicht finden kann, schrecke ich plötzlich hellwach auf.
    Der Morgen tut mir meistens viel wohler als der Abend, er mit seiner Fülle an Vogelliedern und dem alltäglichen Versprechen, das jeder Sonnenaufgang mit sich bringt. Inzwischen halte ich mir eine Kuh, ein wahrer Segen, den ich mir in jenen Tagen nicht leisten konnte, als die Milch Jamie oder Tom hätte nützen können. Letzten Winter habe ich sie gefu n den, wie sie abgemagert mitten auf der Straße lief. Aus ihren großen Augen traf mich ein solch hof f nungsloser Blick, dass es mir vorkam, als sähe ich in einen Spiegel. Die Kate meiner Nachbarn stand leer. So trieb ich sie hinein und machte daraus einen Schober für sie und fütterte sie während der kalten Monde mit Hafer dick und fett – herrenloses Futter, den Toten zu nichts mehr nütze. Dort bekam sie kla g los alleine ihr Kalb. Als ich es entdeckte, war es ve r mutlich schon zwei Stunden auf der Welt. Rücken und Flanken waren schon trocken, nur hinter den O h ren war es noch immer feucht. Ich verhalf ihm zu seinem ersten Schluck, indem ich ihm meine Finger ins Maul steckte und dazwischen ihre Zi t ze auf seine glitschige Zunge presste. Als Gege n leistung stahl ich am nächsten Abend ein bisschen von ihrer fetten, ge l ben Muttermilch, um daraus mit Ei und Zucker einen Bienenstich zu backen, den ich Mister Mo m pellion brachte. Er aß ihn. Da freute ich mich, als wäre er mein Kind, und dac h te dabei, wie froh Elinor darüber wäre. Das kleine Stierkalb hat mittlerweile ein glä n zendes Fell, und seine Mutter betrachtet mich mit freundlicher Duldsamkeit aus braunen Augen. Wie gerne lehne ich meinen Kopf an ihre warme Flanke und atme ihren Fellgeruch ein, während in meinem Eimer die Milch dampfend au f schäumt. Diese trage ich dann ins Pfarrhaus und mache daraus einen he i ßen Milchpunsch oder stampfe süße Butter oder schöpfe den Rahm ab und trage ihn zu einem Te l ler Heidelbeeren auf – was mir eben gerade als bester
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