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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch
Autoren: brooks
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das benützte Geschir r tuch und den leeren Becher hin. »Ich finde schon alleine hinaus«, sagte sie, während sie an mir vo r beirauschte, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Ich folgte ihr nicht. Trotzdem wusste ich genau, dass sie fort war. Die große Eichentüre fiel laut ins Schloss.
    Erst jetzt gestattete ich mir ein kurzes Erstaunen über das, was Mister Mompellion zu ihr g e sagt hatte. Offenbar hatte sich sein Sinn noch mehr verdüstert, als ich vermutet hatte. Ich war besorgt um ihn und wusste doch nicht, womit ich ihm Trost bringen konnte. Trotzdem stieg ich le i se die Treppe hinauf und lauschte draußen vor seiner Türe. Drinnen herrschte Stille. Ich klopfte sachte, und als von ihm keine Antwort kam, öf f nete ich die Türe. Er saß da und hatte den Kopf in die Hände gestützt. Wie immer lag die Bibel n e ben ihm, ungeöffnet. Plötzlich stand mir wieder ganz deutlich vor Augen, wie er im l et z ten Winter am Ende eines der dunkelsten Tage genau so d a gesessen hatte. Mit einem Unterschied: Neben ihm war Elinor gesessen und hatte mit sanfter Sti m me aus den Psalmen vorgelesen. Mir war, als hörte ich es noch immer, ein leises, ach so tröstl i ches Murmeln, nur unterbrochen durch das sachte R a scheln beim Umblättern. Ohne ihn um E r laubnis zu bitten, hob ich die Bibel auf und schlug eine mir wohl bekannte Stelle auf:
     
    »Lobe den Herrn, meine Seele,
    u nd vergiss nicht, was Er dir Gutes getan hat!
    Der dir all deine Sünden vergibt,
    u nd heilet alle deine Gebrechen;
    Der dein Leben vom Verderben erlöset …«
     
    Er erhob sich aus seinem Lehnstuhl und nahm mir das Buch aus der Hand. Seine Stimme klang tief und doch zerbrechlich. »Sehr gut gelesen, Anna. Ich sehe, meine Elinor war eine hervorr a gende Lehrerin. Aber warum hast du nicht diese Stelle gewählt?« Er blä t terte ein paar Seiten um und begann zu rezetieren :
     
    »Dein Weib wird sein wie ein fruchtbarer Wei n stock
    d rinnen in deinem Hause,
    d eine Kinder wie Ölzwe i ge um deinen Tisch her …«
     
    Er hob die Augen und starrte mich durchdri n gend an, ehe er langsam und ganz bewusst die Hand öffn e te. Das Buch glitt ihm aus den Fingern. Instinktiv stür z te ich vor, um es zu fangen, aber er packte me i nen Arm. Mit einem dumpfen Knall fiel die Bibel zu B o den.
    Da standen wir nun, von Angesicht zu Ang e sicht. Immer stärker umklammerte seine Hand meinen U n terarm, bis ich d achte, er würde ihn brechen. »Herr Pfarrer«, sa g te ich, wobei ich mich mit aller Macht um eine ruhige Stimme b e mühte. Daraufhin ließ er meinen Arm fallen, als sei er ein heißes Brandeisen, und raufte sich mit der Hand die Haare. Sein derber Griff hatte eine rote Druckstelle hinterlassen, in der es heftig pochte. Ich konnte spüren, wie mir Tränen in die Augen schossen, und wandte mich ab, damit er sie nicht sehen konnte. Diesmal ging ich unaufgefo r dert.

 
    FRÜHLING
     
    Anno 1665

 
    Rosenkranz
     
    Der Winter nach Sams Tod in der Grube war die hä r teste Jahreszeit meines bisherigen Lebens. Als daher im darauf folgenden Frühling George Vi c cars auf der Suche nach Logis an meine Türe trat und a n klopfte, glaubte ich, Gott hätte ihn gesandt. Später gab es welche, die sagten, es sei der Teufel gewesen.
    Um mir das zu sagen, kam Klein Jamie ganz e r hitzt und aufgeregt zu mir gelaufen, wobei er über seine Füße ebenso stolperte wie über die Wörter. »Draußen, Mami, ‘n Mann. Draußen, an’er Tür, ‘n Mann.«
    Als ich vom häuslichen Herd trat, zog George Viccars schwungvoll seinen Hut vom Kopf und ric h tete den Blick respektvoll zu Boden, ganz im Gege n satz zu all den anderen Männern, die dich wie ein Stück Rindvieh bei der Versteigerung mustern. Wer mit achtzehn Witwe ist, gewöhnt sich allmählich an diese Blicke und wird gege n über den Männern, die sie einem zuwerfen, abg e härtet.
    »Wenn’s beliebt, Mistress Frith, so hat man mir im Pfarrhaus erzählt, Sie hätten vielleicht ein Zimmer zu vermieten.«
    Störschneider sei er, sagte er, und seine eigene g u te und schlichte Kleidung verriet, dass er Talent b e saß. Obwohl er schon den ganzen langen Weg von Canterbury zurückgelegt hatte, sah er sauber und o r dentlich aus. Das beeindruckte mich vermutlich. G e rade eben hatte er sich eine Stelle bei meinem Nac h barn Alexander Hadfield gesichert, der zurzeit Au f träge im Übermaß befriedigen musste. Er wirkte b e scheiden und u n aufdringlich, aber als er mir sagte, er sei bereit,
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