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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge
Autoren: Phillip K. Dick
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Nachdem die Japaner Hawaii eingenommen hatten, hatte man ihn zur Westküste geschickt. Und als der Krieg zu Ende war, saß er immer noch dort auf der japanischen Seite der Demarkationslinie. Und da war er auch heute noch, fünfzehn Jahre danach.
    1947, am Kapitulationstag, war er sozusagen zum Berserker geworden. Er haßte die Japs zutiefst und hatte ihnen Rache geschworen. Und so hatte er seine Dienstwaffen drei Meter unter der Erde vergraben, in einem Keller, gut geölt und verpackt, für jenen Tag, an dem er und seine Freunde sich erheben würden. Aber die Zeit heilte alle Wunden, eine Tatsache, die er nicht mitüberlegt hatte. Wenn er jetzt an seine ursprüngliche Idee dachte, das große Blutbad, die Säuberung der Pinocs und ihrer Herren und Meister, so war ihm, als blättere er in einem jener alten abgewetzten Jahrbücher aus seiner Jugend. Frank ›Goldfisch‹ Fink wird das Studium der Paläontologie ergreifen und gelobt, Norma Prout zu heiraten. Norma Prout war die Klassenschönheit, und er hatte wirklich gelobt, sie zu heiraten. Das lag alles so verdammt weit zurück, so weit wie die Songs von Fred Allen im Radio oder die alten W. C. Fields Filme. Seit 1945 hatte er wahrscheinlich mit sechshunderttausend Japanern geredet oder sie gesehen, und der Wunsch, ihnen Gewalt zuzufügen, hatte sich einfach nach den ersten paar Monaten nicht mehr gezeigt. Er hatte nichts mehr zu sagen.
    Das heißt, nein. Es gab einen, einen Mr. Omuro, der in der Innenstadt von San Francisco eine Anzahl von Mietshäusern gekauft hatte und der eine Zeitlang Franks Wohnungsbesitzer gewesen war. Das war ein übler Bursche, dachte er. Ein Blutsauger, der nie Reparaturen hatte machen lassen, der immer wieder kleinere Zimmer abgeteilt hatte, die Mieten angehoben…
    Omuro hatte die Armen ausgebeutet, insbesondere die nahezu verzweifelten arbeitslosen ehemaligen Soldaten in den Depressionsjahren, Anfang der Fünfziger. Aber dann hatte eine der japanischen Handelsmissionen dafür gesorgt, daß Omuro wegen seiner Profitgier geköpft wurde. Und heutzutage war eine solche Verletzung der harten, strengen, aber auch gerechten japanischen Zivilgesetze einfach undenkbar. Man konnte den japanischen Besatzungsbeamten wirklich nicht nachsagen, daß sie bestechlich waren.
    Frank atmete unwillkürlich auf. Selbst Wyndam-Matson würde von diesen Handelsmissionen einfach weggewischt werden wie eine lästige Fliege. Komisch, dachte er, ich habe wirklich Vertrauen zu diesem Zeug von wegen Pazifische Allianz und Gemeinsamer Wohlstand. Eigenartig. Wenn man an die früheren Tage zurückdachte… damals war es ihm so offensichtlich verlogen vorgekommen. Leere Propaganda. Aber jetzt…
    Er stand auf und schlurfte ins Bad.
    Während er sich wusch und rasierte, hörte er die Mittagsnachrichten im Radio.
    »Wir wollen diese Leistung keineswegs geringschätzen«, sagte das Radio, als er für einen Augenblick das heiße Wasser abdrehte.
    Nein, das wollen wir nicht, dachte Frank verbittert. Er wußte, was gemeint war. Ja, irgendwie war etwas Erheiterndes daran, an diesem Bild der sturen, mürrischen Deutschen, die jetzt auf dem Mars herumliefen, auf dem roten Sand, den noch keines Menschen Fuß betreten hatte.
    Während er sich die Wangen einseifte, begann Frank halblaut vor sich hinzusingen. Ja, Herr Kreisleiter . Eignet sich dieser Ort für das Konzentrationslager? Das Wetter ist so schön . Heiß, und doch so schön …
    Und das Radio tönte: »Und unsere Zivilisation der gemeinsamen Wohlstandssphäre muß jetzt innehalten und überlegen, ob wir auf unserer Suche nach Ausgeglichenheit in unseren gegenseitigen Verpflichtungen und Verantwortungen, verbunden mit Belohnung…« Der typische Jargon der herrschenden Hierarchie, dachte Frank. »… nicht die zukünftige Arena verkannt haben, in der die Geschicke der Menschheit sich erfüllen werden, seien es nun nordische, japanische oder negroide…« Und so ging das endlos weiter.
    Ja, aber es war richtig. Der Pazifik hatte nichts zur Kolonisierung der Planeten beigetragen. Er hatte sich um Südamerika gekümmert – besser gesagt, sich dort festgerannt. Während die Deutschen nicht abließen, riesige Roboter-Systeme durch das Weltall zu jagen, brannten die Japs immer noch die Dschungel im Innern Brasiliens nieder, bauten achtstöckige Backsteingebäude für ehemalige Kopfjäger. Und bis die Japs ihr erstes Raumschiff vom Boden hatten, würden die Deutschen das ganze Sonnensystem fest in der Hand halten. In den alten
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