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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge
Autoren: Phillip K. Dick
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zweifellos Tee anbieten. Würde er sich richtig verhalten? Würde er in jedem Augenblick das Richtige tun, das Richtige sagen? Oder würde er sich selbst Schande machen, wie ein Tier, durch irgendeinen dummen Fauxpas?
    Das Mädchen hieß Betty. So viel Verständnis in ihrem Gesicht, dachte er. Die sanften, freundlichen Augen. Zweifellos hatte sie selbst in der kurzen Zeit in seinem Laden seine Hoffnungen und seine Ängste erkannt und durchschaut.
    Seine Hoffnungen – er fühlte sich plötzlich benommen. Was für Ambitionen, die beinahe an Wahnsinn, wenn nicht an Selbstmord grenzten, hatte er denn? Aber es gab Beziehungen zwischen Japanern und Yanks, obwohl es sich normalerweise um Beziehungen zwischen einem japanischen Mann und einer Yankfrau handelte. Dies… – er schauderte bei der Idee. Und sie war verheiratet. Er zwang sich, an etwas anderes zu denken und fing an, seine Morgenpost zu öffnen.
    Seine Hände zitterten immer noch. Und dann erinnerte er sich an die Zwei-Uhr - Verabredung mit Mr. Tagomi, und seine Hände hörten auf zu zittern, und aus seiner Nervosität wurde Entschlossenheit. Ich muß mir etwas Akzeptables einfallen lassen, sagte er sich. Wo? Wie? Was? Ein Telefonanruf. Vielleicht ein voll aufgearbeiteter 1929-er Ford mit Stoffdach (schwarz). Damit könnte er ihn auf ewige Zeiten als Kunden bewahren. Oder vielleicht ein in Kisten verpacktes dreimotoriges Flugzeug, in einer Scheune in Alabama entdeckt, etc. Damit würde Mr. Tagomis Ruf in Kennerkreisen unendlich steigen, er würde der berühmteste Sammler am ganzen Pazifik sein, die Heimatinseln nicht ausgeschlossen.
    Um sich zu inspirieren, zündete sich Mr. Childan eine Marihuanazigarette an, Marke ›Land des Lächelns‹.
    In seinem Zimmer auf der Hayesstreet lag Frank Frink im Bett und überlegte, wie er aufstehen sollte. Die Sonne fiel durch die Vorhänge auf den Haufen Kleider, der zu Boden gefallen war. Seine Brille auch. Ob er auf sie treten würde? Er würde versuchen, das Badezimmer auf einem anderen Weg zu erreichen, dachte er. Kriechen oder sich wälzen. Sein Kopf tat weh, aber er fühlte sich nicht niedergeschlagen. Man darf nie zurückblicken, dachte er. Die Zeit? Die Uhr stand auf der Kommode. Elf Uhr dreißig! Ach du liebe Zeit! Aber er blieb liegen.
    Die haben mich rausgeschmissen, dachte er.
    Gestern hatte er in der Fabrik einen Fehler gemacht. Er hatte Mr. Wyndam-Matson falsch angeredet, Mr. Wyndam-Matson mit seinem flachen Gesicht und der Sokratesnase und dem Diamantring und dem goldenen Reißverschluß an der Hose. Mit anderen Worten, eine Macht. Ein Thron. Franks Gedanken wanderten benommen dahin.
    Ja, dachte er, und jetzt setzen die mich auf die schwarze Liste. Mit dem, was ich kann, ist nichts anzufangen – ich bin den Job los. Fünfzehn Jahre Erfahrung. Futsch.
    Und jetzt würde er vor der Arbeitskommission erscheinen müssen, damit man seine Arbeitskategorie neu festlegte. Er hatte nie in Erfahrung bringen können, welche Verbindung Wyndam-Matson zu den Pinocs hatte – der weißen Marionettenregierung in Sacramento –, also hatte er auch keine Ahnung, welchen Einfluß sein ehemaliger Arbeitgeber auf die richtigen Behörden, die Japaner, hatte. Die AK wurde von den Pinocs geleitet. Vier oder fünf plumpe weiße Gesichter vom Typ Wyndam-Matsons würden ihm gegenübersitzen. Und wenn er dort keine Zusage bekam, würde er sich zu einer der Import-Export-Handels-Missionen begeben, die von Tokio aus operierten und die in ganz Kalifornien, Oregon, Washington und dem Teil von Nevada operierten, der zu den Pazifischen Staaten von Amerika gehörte. Und wenn er es dort auch nicht schaffte…
    Er lag im Bett und starrte zu dem alten Beleuchtungskörper an der Decke hoch. Er könnte, zum Beispiel, in die Rocky Mountain Staaten gehen. Aber die standen in loser Verbindung mit den PSA und würden ihn vielleicht ausliefern. Und der Süden? Ihm schauderte. Puh. Nein, das nicht. Als weißer Mann würde er eine viel bessere Position haben als in den PSA. Aber… nein, mit einem solchen Land wollte er nichts zu tun haben.
    Und was noch schlimmer war, der Süden hatte einen Wust von Verbindungen, wirtschaftlichen, ideologischen und Gott-weiß-was sonst noch für welchen mit dem Reich. Und Frank Frink war ein Jude.
    Ursprünglich hatte er Frank Fink geheißen. Er war an der Ostküste in New York zur Welt gekommen und 1941 von der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika eingezogen worden, unmittelbar nach dem Zusammenbruch Rußlands.
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