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Das Mond-Monster

Das Mond-Monster

Titel: Das Mond-Monster
Autoren: Jason Dark
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zog das Fenster auf und spürte den Abendwind auf seinem Gesicht. Wie so oft brachte er den typischen Geruch dieser Gegend mit. Da roch es nach Meer, nach Salz, nach Strandhafer und jetzt – im Sommer – auch nach Blumen.
    Wo bleibt die Angst?, dachte er.
    Sie war nicht mehr da. Sie hatte sich verflüchtigt. Dafür merkte er die Spannung, die sich in ihm aufgestaut hatte. Sie ließ ihn nicht los und er ahnte, dass die kommende Nacht sehr spannend werden würde.
    Minutenlang blieb er starr am offenen Fenster stehen und beobachtete die letzten Vögel, wie sie ihre wunderbaren Runden durch das Dämmerlicht über dem Meer drehten und dabei den Abendwind genossen, der sie trug.
    Mike wandte sich ab. Er schloss das Fenster. Das hagere Gesicht mit den leicht eingefallenen Wangen war noch hagerer geworden und in den Augen lag ein Blick, der etwas Bestimmtes aussagte. Es war der Wille, alles durchzuziehen, was getan werden musste. Gerade in dieser Nacht, in der der volle Mond wie frisch gezeichnet am Himmel stand und das Land mit seinem heimtückischen Licht übergoss.
    Mike schaute gar nicht erst hin. Er brauchte den Mond nicht zu beobachten. Er wusste sehr genau, wann er am Himmel stand. Dann wurde aus ihm eine andere Person, doch darüber redete er mit keinem, das war einzig und allein seine Sache.
    Sein nächstes Ziel war der Schrank. Eingehüllt vom grauen Licht der Lampe, öffnete er die Tür und holte ein Kleidungsstück hervor, das für ihn so etwas wie ein Markenzeichen war.
    Er schob den Mittelfinger der rechten Hand in den Aufhänger und schaute sich den Mantel an. Er hatte ein breites Revers und reichte ihm, wenn er ihn angezogen hatte, bis zu den Waden.
    Mike liebte diesen Mantel. Ebenso die übrige schwarze Kleidung und auch die hohen Schnürschuhe.
    Mit schon ritualhaft anmutenden Bewegungen streifte er den Mantel über, den er nicht schloss. Er strich über den Stoff hinweg und lächelte. Erst jetzt fühlte er sich wohler. Zu 50 Prozent war er okay, die anderen 50 fehlten noch. Um die würde er sich draußen kümmern.
    Wieder eine Drehung.
    Der nächste Schritt.
    Es sah alles wie oft geübt aus. Er ging noch einen zweiten und hatte sein neues Ziel erreicht.
    Vor dem Wandspiegel blieb er stehen. Ja, es war ein Ritual. Er wusste auch, was folgen würde. Er musste sich wieder einmal selbst erkennen.
    Der Spiegel hing vor ihm.
    Er hätte sich selbst sehen müssen, denn die Fläche war glatt und wirkte wie frisch geputzt.
    Mike Derek sah sich nicht. Im Spiegel zeichnete sich nichts anderes ab als ein Schatten, der aussah wie ein nebliges Gebilde, das sich kurz vor dem Zustand der Auflösung befand.
    Mike hatte kein Spiegelbild. Kein richtiges. Es war einfach zu schwammig, es war auch nicht zu erklären. Es sei denn, man akzeptierte, wer Mike Derek tatsächlich war.
    Ein Halbvampir!
    ***
    Er wusste es. Ja, er wusste es genau. Aber er konnte mit keinem Menschen darüber sprechen. Man hätte ihn ausgelacht, für verrückt erklärt und man hätte versucht, ihn einzusperren.
    Er litt unter seinem Schicksal. Er kannte den Grund nicht, aber er kannte die Nächte, in denen der Vollmond am Himmel stand und er so stark litt, dass er manchmal nicht wusste, was er noch alles tun sollte.
    Da verlor er die Kontrolle über sich. Da brauchte er das Blut wie andere Menschen ihr Wasser. Trotzdem ekelte er sich davor, denn in dieser Zeit kämpften zwei Seelen in seiner Brust. Es war ihm nie gelungen, sich zu beherrschen, auch wenn er es eine Weile geschafft hatte. Immer wieder war die vampirhafte Seite in ihm durchgebrochen und hatte ihn letztendlich zum Blut getrieben.
    Er hatte es getrunken. Nicht nur das der Tiere, auch das der Menschen. Er hatte sie sich geholt, ihnen Wunden zugefügt und das Blut abgeleckt. Bisher war es immer gut gegangen, aber Mike spürte auch, dass eine Zeit kommen würde, in der er sich nicht mehr damit zufrieden geben würde. Da musste er dann handeln wie ein Vampir und seine scharfen Zähne in die Hälse hacken.
    Ein Vampir besitzt kein Spiegelbild. Solange er sich in der Fläche noch als Schatten sah, war seine Hoffnung nicht völlig gestorben, doch immer würde er das auch nicht durchhalten. Irgendwann schlug die Keule des Schicksals zu und dann war er völlig zu einem nach Blut jagenden Vampir degeneriert.
    Er hatte Hände mit langen, schlanken Fingern. Mit ihnen fuhr er über sein Gesicht hinweg und zeichnete mit den Kuppen auch die Lippen nach, um anschließend die Zähne abzutasten, damit ihm ein
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