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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau
Autoren: Veronika Peters
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denn?«
    Â»Sie macht es mit sich aus.«
    Â»Wir sollten ihr dankbar sein.«
    Â»Du weißt nicht, was du sagst!«
    Â»Doch, weiß ich.«
    Â»Wir lassen Ruth alleine!«
    Â»Sie hat es selbst so entschieden.«
    Â 
    Am ersten Mai wurde dann auch faktisch der Gästebetrieb eingestellt.
    Sergej verließ uns nach dem Frühstück, um seine neue Arbeit anzutreten.
    Â»Wer stellt dich denn noch ein? Du bist viel zu alt!«, schimpfte Elisabeth, als sie davon erfuhr.
    Â»Du bist älter.«
    Â»Ich bin nicht angestellt. Also: Wer?«
    Â»Ein Restaurant. Der Cousin meines Schwagers ist Sous-Chef.«
    Â»Und wo, bitte schön, waltet der Herr Schwager?«
    Sergej druckste herum, wand sich, bis Elisabeth es doch aus ihm herausholte.
    Â»Bansin«, sagte Sergej, »Usedom«, als wäre das ein Frevel.
    Nach Elisabeths Meinung war es das auch.
    Â»Ausgerechnet!«
    Ruth scherte sich nicht darum, wo Sergej einen Job angenommen hatte, sie sagte nur: »Jetzt muss ich doch noch ihn gehen lassen statt umgekehrt«, und wünschte ihm Glück.
    Am Nachmittag wurden die große Kaffeemaschine und der Konvektomat abgeholt.

    Tags darauf stand Heinrich mit zwei Koffern im Treppenhaus und sagte: »Ich gehe dann auch mal.«
    Â»Nein!«, rief ich, aber Frank, der ihm bei der Übersiedlung ins Sonnenglück behilflich war, sagte: »Lass ihn. Er wartet seit einem halben Jahr, dass ein Platz frei wird.«
    Â»Nein!«
    Â»Es ist nicht weit. Wir werden ihn besuchen.«
    Â»Nein.«
    Â 
    Elisabeth, Ania, die Tante, ich und etwa zwölf Katzen blieben zurück in dem leeren, an Regentagen nach Kanalisation stinkenden Haus.
    Â»Immerhin mäuse- und rattenfrei«, sagte die Tante, und Elisabeth bot mir ein größeres Zimmer an: »Such dir eines aus.«
    Â»Nein danke.«
    Â»Es gab Zeiten, da hatte nicht einmal der Holsteinische Wirtschaftsminister freie Zimmerwahl im Palau.«
    Ich wollte trotzdem nicht umziehen, schlief sowieso jede zweite Nacht bei der Tante auf dem Sofa und ließ meine Sachen im Haus herumliegen, wo es mir gerade passte.
    Frank lehnte Elisabeths Angebot, das Dachgeschoss zu beziehen, ebenfalls dankend ab, blieb lieber in seiner kleinen Fischerhütte und hielt dort, nach eigener Aussage, »warmen Kräutertee und einen Zufluchtsort für Katia bereit«.
    In der einen oder anderen Nacht, in der Elisabeth bei Ruth schlief, machte ich davon Gebrauch.
    Â»Glaub bloß nicht, dass wir jetzt ein Paar fürs Leben werden!«
    Â»Auf diesen abwegigen Gedanken würde ich nie kommen!«

    Â 
    Der Mai wurde warm und sonnig, am Steinblock blieb das Schild stehen: GESCHLOSSEN.
    Â 
    Eines Morgens verweigerte die Tante das Frühstück und sagte: »Ich hab keinen Hunger.«
    Ich schob ihr ein Kissen in den Rücken, zog die Vorhänge auf. »Schau doch, Tante, die Sonne gibt heute eine extra Vorstellung!«
    Ruth sah nach draußen, sagte: »Gold und Grau« und machte die Augen wieder zu.
    Von da an sprach sie kaum noch und verweigerte gänzlich die Nahrung.
    Der Doc sagte: »Lasst sie jetzt in Ruhe.«
    Â 
    Sie starb in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, machte sich davon, ohne dass es einer mitbekam. Elisabeth hatte die Nachtbetreuung übernommen und Ruth friedlich atmend hinterlassen, als sie kurz nach Mitternacht in die Küche hinunterging, um sich frischen Tee zu kochen. Der Kessel sei ihr dann vom Gas gerutscht, sie habe deshalb noch den Boden aufwischen und eine kleine Brandblase an ihrer Hand versorgen müssen, bevor sie wieder nach oben gehen konnte, wo ihr Ruths Zimmer gleich so ungewöhnlich still vorgekommen sei. Und die Katzen seien mit einem Mal auch verschwunden gewesen.
    Ich weiß nicht, wann Elisabeth gemerkt hat, dass Ruth gegangen war. Als ich gegen sieben in der Frühe zur Ablösung in die Sommersuite kam, fand ich sie auf der Bettkante sitzend, die bereits kühle Hand der Tante umklammert, den Blick aus dem weit geöffneten Fenster auf die schillernd in der Morgensonne glitzernde See gerichtet.

    Â 
    Der Doc kam wenig später und wusste, was zu tun war. Ich ging nach draußen, verbrachte den halben Tag am Yachthafen, ließ die Beine ins Hafenbecken baumeln, hörte Chet Baker an die zwanzig Mal »I get along without you very well« singen und übte mich im Drehen von Zigaretten.
    Nachdem ich von Weitem beobachtet hatte, wie der Leichenwagen vom
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