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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau
Autoren: Veronika Peters
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ging. Ich wusste das zu schätzen. Die Tante hatte sich an einem Nachmittag im Sommer entschieden, den Befund ihrer Krankheit mit Verweigerung zu kontern, und mir schien das keine schlechte Verfahrensweise für alle Beteiligten zu sein. Elisabeth allerdings war richtig zornig: »Sie hat keinem etwas gesagt! Sie weiß es seit Juni, verdachtsweise wahrscheinlich noch länger, und sie hat alles mit sich selbst ausgemacht, ohne an andere zu denken, ohne einen von uns zu informieren oder an ihrer Entscheidung zu beteiligen. Sie wollte sich nicht behandeln lassen, und wir können jetzt sehen, wie wir damit fertigwerden!«
    Â»Das ist ihr gutes Recht«, sagte ich eines Tages, als ich genug von Elisabeths ewigen Schimpfkanonaden hatte.

    Â»Wie bitte?«, fuhr sie auf. »Was für eine Berechtigung soll das denn sein? Seit über dreißig Jahren leben und arbeiten wir zusammen, und sie hat mich in dieser Sache vollkommen ausgeschlossen! Was glaubst du, wie ich mich dabei fühle?«
    Â»Vielleicht geht es nicht um deine Gefühle.«
    Â»Richtig! Ruth ist es immer nur um sich selbst gegangen!«
    Ich überlegte, ob ich ihr von dem Dachbodengespräch erzählen sollte, das ich mit der Tante gehabt hatte, und dass Ruths Erzählung fast schon eine Liebeserklärung an Elisabeth und ihre gemeinsamen Anfangszeiten gewesen war, aber ich entschied mich dagegen. Elisabeth würde womöglich wieder anfangen zu heulen, und da war sie mir verärgert noch leichter zu ertragen.
    Â»Wie du meinst«, sagte ich möglichst gleichgültig. Sollte sie denken, was sie wollte, so konnte sie wenigstens ihre Trauer mit Zorn verdünnen.
    Â»Ich kenne sie viel länger als du.«
    Â»Niemand bestreitet das.«
    Â 
    Dann kam der Morgen, an dem Ruth nicht zum Frühstück erschien und Elisabeth zu mir sagte: »Geh du bitte nachsehen.«
    Ich fand sie neben ihrem Nachttisch zusammengesunken, half ihr, sich am Bettrand hochzuziehen, während sie vor Schmerz ächzte. Als ich sie endlich lang ausgestreckt und keuchend auf dem Bett liegen hatte, deckte ich sie mit einer Wolldecke zu und rief den Doc an:
    Â»Es ist etwas passiert.«
    Â»Ich komme sofort!«
    Nachdem er über eine Stunde allein mit ihr in ihrem Zimmer gewesen war, kam er in die Kajüte herunter und sagte: »Ruth will nicht ins Krankenhaus. Sie wird jetzt mehr Hilfe brauchen.«

    Â»Ich mache das«, rief ich und erschrak über mich.
    Der Doc nickte und sagte: »Das wirst du auf Dauer nicht alleine schaffen.«
    Die Formulierung »auf Dauer« irritierte mich.
    Elisabeth schnauzte: »Die gnädige Frau will nicht, und deswegen müssen die anderen springen?« und bekam unmittelbar danach einen Heulkrampf.
    Ich überließ das Trösten dem Doc, schnappte mir Müllgreifer nebst Tüten und beschäftigte mich für die nächsten Stunden am Strand.
    Â 
    Â»Wir brauchen einen Plan«, sagte Elisabeth, als ich zum Abendessen wieder auftauchte. »Für Ruths Pflege und für den weiteren Betrieb des Hotels. Es wird hilfreich sein, wenn wir alle dabei so vernünftig wie möglich bleiben.«
    Ich hatte keine Ahnung, was in meiner Abwesenheit mit ihr geschehen war. Von Heinrich erfuhr ich später, dass der Doc sie in Ruths Zimmer geführt hatte und dass sie lange dort geblieben waren. Genaueres wollte ich gar nicht wissen, das Ergebnis genügte. Elisabeth sah zwar zerzaust, aber auch – zum ersten Mal, seit die Nachricht über uns hereingebrochen war – wieder klar aus. Sie hatte etwas Entschlossenes im Blick, das sie fortan fast bis zum Ende wie einen Schild vor sich hertrug. Ich drückte ihr den Arm und erklärte mich mit allem, was sie vorhatte, einverstanden.
    Der Doc erläuterte, dass Ruth am Morgen etwas zugestoßen sei, das man einen »Schmerzdurchbruch« nennt, er habe das aber für diesmal in den Griff bekommen und werde uns instruieren, was beim nächsten Mal zu tun sei. »Es geht ihr jetzt besser, sie hat im Augenblick keine Schmerzen und wird für die nächsten sieben, acht Stunden sehr fest schlafen.«

    Â»Und danach?«, fragte Elisabeth.
    Â»Wir werden sehen. Bisher hatten wir Glück. Es wird jetzt schneller bergab gehen.«
    Â»Was können wir tun?«
    Der Doc sprach von der Gemeindekrankenschwester, die bereits auf Abruf gewesen sei und künftig zwei Mal am Tag vorbeikommen werde. Ruth habe eingesehen,
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