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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau
Autoren: Veronika Peters
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jetzt, dank junger kreativer Köpfe, frischer Wind weht, sondern unseres?«
    Ich war diese Art Heftigkeit von ihr nicht gewohnt, das war eigentlich Ruths Part. Ich hatte sie noch nie in solch einem Zustand gesehen, sie verlor restlos die Fassung:
    Â»Glaubst du, ich habe nicht gemerkt, dass du von Anfang an vorhattest, hier herauszuholen, was nur geht? Studierst Fachliteratur über Hotelgewerbe und Gästebetriebe, um für den großen Tag bereit zu sein, nistest dich hier ein, als bräuchtest du nur auf unser Ende zu warten, machst dich unentbehrlich und tust so, als wäre es normal, dass eine junge, gesunde Person freiwillig mit alten Schachteln versauert …«
    Ich war unfähig, zu reagieren, stotterte bloß ab und zu ein »Nein!« oder »Das ist nicht wahr!« und sah sie weinen, kreischen, sich durch die Haare raufen, hörte, wie sie mich »eine rücksichtslose Erbschleicherin« titulierte, die sich noch wundern würde, und merkte nicht, wie der Rest der Palau-Mannschaft nach und nach in die Kajüte trat, um nachzusehen, was dort vor sich ging. Ich hatte die bislang schlimmste halbe Stunde meines Lebens.
    Â»Aber bitte, es ist mir egal«, schloss Elisabeth, endlich leise geworden, ihre Tirade, »mach nur, übernimm hier alles, bring
jungen Geist, wohin du willst, wir Alten werden sowieso bald tot sein.«
    Die Tante hatte sie toben lassen, hatte die ganze Zeit mit gesenktem Kopf auf der Eckbank gesessen und Elisabeths Ausbruch scheinbar an sich abprallen lassen. Jetzt richtete sie sich auf und ihre Stimme klang ruhig und klar und scharf durchs Zimmer: »Lizzy, wer hier mit Sicherheit bald tot sein wird, das bin ich!«
    Alle starrten zu Ruth hin, Elisabeth flüsterte etwas, das ich nicht verstand, Ruth erklärte seelenruhig: »Sie waren ursprünglich der Ansicht, ich hätte noch etwas Zeit, aber es wächst schneller, als sie dachten.«
    Ich stand auf, sagte: »Mir reicht’s!« und verließ das Haus.
    Â 
    Bei Anbruch der Dunkelheit klopfte ich an die Tür der Fischerhütte, Frank öffnete, trat beiseite, als hätte er mich erwartet. Er ließ mich wortlos eintreten und setzte Teewasser auf.
    Kein Futon in seinem Schlafzimmer, sondern ein riesiges altes Holzdoppelbett, Eiche, mit zwei durchgelegenen Matratzen und einer Ritze dazwischen, in die man sogartig hineinrollte. Ringsherum aufgereiht: hohe Stapel von Büchern, aus denen Tausende von Zetteln ragten, die raschelten, wenn man mit dem Handrücken daran entlangfuhr. »Bücherstapelwaldrauschen«, sagte ich, und Frank sagte: »Schönes Wort.«
    Am nächsten Morgen brachte er ein Tablett mit zwei Kaffeetassen ans Bett und fragte: »Willst du nicht drüben Bescheid sagen? Sie werden sich Sorgen machen.«
    Ich schüttelte den Kopf: »Sag ihnen, ich hätte den Bus um zwölf genommen.«
    Â»Ruth stirbt, und du willst abhauen?«
    Â»Abhauen kann ich immer noch am besten!«

7
Gold und Grau
    Es mag befremdlich klingen, wenn ich sage: Ich hatte am Bett meiner sterbenden Tante eine gute Zeit.
    Â 
    Â»Geh deiner Wege«, waren ihre Worte gewesen, als ich, von Franks Hütte kommend, vor dem Strandkorb stehen geblieben war, in dem die Tante hockte.
    Â»Mache ich bestimmt«, hatte ich gesagt, und über das Gesicht der Tante war ein Grinsen gezogen, das ihrem Zustand reichlich unangemessen war. Sie steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen, bot mir ihren Tabaksbeutel an.
    Â»Später vielleicht. Solltest du denn rauchen?«
    Sie zuckte mit den Schultern und sah dabei fast heiter aus.
    Â»Was kann mir denn noch passieren?«
    Â»Auch wieder wahr.«
    Wir haben früh damit angefangen, den Tod ab und zu auszulachen. Das änderte zwar nichts an den Tatsachen, aber es half gelegentlich weiter.
    Drinnen fand ich Elisabeth hinter dem Tresen mit den Gläsern beschäftigt. Sie sah fürchterlich aus: die Augen rot und geschwollen, das Haar strähnig, die Haut aufgedunsen und fahl.
    Â»Kann man hier einen Kaffee bekommen?«
    Â»Katia! Gott sei Dank!«
    Sie fiel mir fast entgegen, krallte sich an meinen Oberarmen
fest, stotterte, dass es ihr leidtäte, so sehr, ich müsse ihr das glauben, dass sie nicht bei Sinnen gewesen sei und auch nicht wisse, wie … Sie stammelte und stotterte, es war nur schwer zu ertragen.
    Â»Ist egal«, versuchte ich sie zu beruhigen, »das ist doch jetzt wirklich
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