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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau
Autoren: Veronika Peters
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scheißegal. Verstehst du mich?«
    Sie flocht mir laut schluchzend die Arme um den Hals, hing dort schwer und klebrig, und ich überlegte für einen kurzen Moment, ob es nicht doch besser wäre, zu verschwinden.
    Â»Wir müssen die Nerven behalten«, sagte ich. Elisabeth nickte und fing sich ein wenig. Ich nahm vorsichtig ihre Hände von meinem Nacken, sie sackte leicht nach vorne und begann schon wieder, hemmungslos zu weinen. Ich trat einen Schritt von ihr zurück, hätte sie gerne geschüttelt oder angebrüllt oder beides, und war Sergej unendlich dankbar, als er aus der Küche kam, Elisabeth das Taschentuch aus der Kitteltasche zog, ihr rüde auf die Nase drückte und sagte: »Katia ist hier. Du hörst jetzt auf mit den Tränen, ja?«
    Â»Ruth weigert sich, das Haus zu betreten, so lange ich in diesem Zustand bin«, sagte Elisabeth.
    Â»Das würde ich an ihrer Stelle genauso machen«, antwortete ich. Sie starrte mich an und hörte auf der Stelle auf zu heulen, als hätte jemand einen Hebel bei ihr umgelegt.
    Sergej murmelte etwas auf Russisch, das beschwichtigend klang, lächelte mir gequält zu und sagte: »Schick sie ins Bett jetzt. Später mache ich euch Fleischkäse mit Kartoffelbrei.«
    Ich bat Elisabeth, auf ihr Zimmer zu gehen, erst einmal zu schlafen und sich dann ein Bad einzulassen, und war überrascht, dass sie mir in allem zustimmte.
    Â»Ich laufe erst mal nach Liefgaard«, sagte ich. »Muss mit dem Doc sprechen.«

    Auch hier kein Widerspruch.
    Â»Ist gut. Du kommst doch wieder?«
    Â»Sicher. So lange meine Tante lebt, will ich von hier nicht weg.«
    Kaum hatte ich es ausgesprochen, glaubte ich beinahe selbst daran.
    Â»Danke, Katia, ich danke dir!«
    Ich fürchtete kurz, Elisabeth würde erneut zusammenbrechen, aber sie hielt sich zurück, wischte mit dem Ärmel durchs Gesicht und sagte: »Ich werde jetzt schlafen gehen und mich zusammenreißen.«
    Â»Prima«, sagte ich, »das ist eine hervorragende Idee!«
    Â 
    Als ich nachmittags von Liefgaard zurückging, hörte ich kurz hinterm Yachthafen jemanden rufen. Ich schaute mich um und entdeckte die kleine flatternde Gestalt, die sich langsam über den Steinwall näherte. Sie hatte ihre Müllsammlerinnenmontur an, den Greifer in der Hand, eine Plastiktüte in der anderen, als wäre sie an einem gewöhnlichen Tag ganz normal unterwegs. Eben hatte ich mir noch vom Doc sagen lassen, ich solle künftig darauf achten, dass Ruth nicht mehr alleine auf ihre Wanderungen gehe, weil sie jederzeit umkippen könne und dann vielleicht nicht mehr in der Lage wäre, ohne Hilfe aufzustehen.
    Â»Wie soll ich mir das vorstellen?«, hatte ich den Doc gefragt und seine Antwort war gewesen: »Ihr Bein kann durchbrechen.«
    Ich brauchte keine weiteren Details.
    Â»Wo kommst du her, Nichte?«
    Â»Vom Doc.«
    Â»Weißt du jetzt Bescheid?«

    Â»In etwa.«
    Â»Na dann.«
    Â»Was machst du hier draußen, Tante?«
    Â»Was schon? Ich sorge für Ordnung an meinem Strand, so lange das noch geht! Ich muss mich zum Sterben nicht ausruhen.«
    Â»Ach, leck mich doch …«, sagte ich ohne sie anzusehen und ging weiter. Dann hörte ich ein klapperndes Geräusch, Knistern, Schnaufen; ich drehte mich auf dem Absatz um, war mit zwei großen Schritten wieder bei ihr und benötigte einige Sekunden, bis in meinem Hirn angekommen war, dass die Tante lachte. Frank wollte es mir später nicht glauben, aber Ruth hatte ihre Gerätschaften fallen lassen, stand im eiskalten Wind, stemmte ihre Arme in die Seite und lachte brüllend gegen die Winterbrandung an. Für einen Moment hatte ich Lust, ihr ins Gesicht zu schlagen.
    Â»Was ist so lustig?«
    Â»Ich sterbe, und du sagst, dass ich dich am Arsch lecken soll!«
    Vor meinen Füßen lag ein zerknitterter Fetzen Papier, die Banderole einer Gemüsekonserve trieb mir einen blödsinnigen Werbespruch durchs Hirn: Bonduell ist das famose Zartgemüse aus der Dose. So etwas käme im Palau nie auf den Tisch, dachte ich, bückte mich nach dem Müllgreifer, versuchte damit das Papier aufzuklauben. Die Zange griff erst daneben, dann entglitt der Fetzen auf halber Höhe. Ich versuchte es noch einmal, mit demselben Ergebnis. Fluchend schmiss ich den Greifer in den feuchten Sand und trat gegen die halbvolle Plastiktüte, dass es schepperte und krachte.
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