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Das Matrazenhaus

Das Matrazenhaus

Titel: Das Matrazenhaus
Autoren: Paulus Hochgatterer
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Falten. Total schön.« Ich sage ihr, dass es ein Festtagsgewand ist und dass ich es mir einfach genommen habe, weil es mir gefallen hat. »Von wem?«, fragt sie, und ich sage, von jemandem, der es nicht mehr braucht. Dann teste ich sie und frage: »Welche Farbe?« Sie tastet ganz konzentriert und sagt: »Dunkelblau, violett oder schwarz. Dunkel jedenfalls.« »Schwarz«, sage ich. Ich habe keine Ahnung, wie sie das macht.
    Ich lege die Doppel-DVD auf die Werkbank. Ich erkläre ihr alles. »Die eine Hälfte ist gelb, die andere rot«, sage ich, »unter der roten DVD steckt noch eine.« Ich sage außerdem, dass der Film dreiunddreißig Minuten und achtundvierzig Sekunden lang ist und dass es keine Pause gibt und keine Unterbrechung. Ich sage, dass sie das aushalten muss, wenn sie Switis Freundin sein will und mein Herold, und ich sage, dass sie ja einen Leibwächter hat und mich. Bevor ich auf Play drücke, sage ich, dass ich die ganze Zeit hinter ihr stehen werde.
     
    Aus. Es ist der Augenblick, in dem nichts mehr von ihr zu sehen ist außer den Blasen auf der weißen Brühe. Links oben ein Stück von dem Betondeckel mit dem Eisenring. Ein paar Grashalme. Alles steht still.
    Longbottom steht neben Lara und leckt ihr die Hand. Sie ist ganz weiß im Gesicht und ruckelt auf dem Stuhl vor und zurück.
    »Wer ist das?«, fragt sie, »wer ist das?« »Es sind drei«, sage ich und ich sage, dass ich sie nicht kenne und dass sie auf einer Liste stehen.
    »Einer schafft an«, sagt sie. »Es ist der, von dem ich die Cuculla genommen habe«, sage ich.
    Ich bücke mich und hole den Bambusstab unter der Werkbank hervor. »Dreh dich zu mir«, sage ich. Ich ziehe die Kapuze über den Kopf. Longbottom brummt erneut. »Ruhig«, sagt sie und legt ihm die Hand auf den Kopf.
    »Du wirst mein Herold sein«, sage ich. Dann sage ich, dass ich stolz bin auf sie, weil sie Switis Freundin ist und nur elfmal Was machen die da? gefragt hat und nicht versucht hat, rauszurennen wie Sen Wu, und auch nicht erbrochen hat wie Britta Kern. Ich sage, dass sie einen Spezialauftrag hat und dass das jetzt ein wenig unangenehm werden wird, aber es muss sein.
    Als ich den Bambusstab hebe, knurrt Longbottom. Ich habe ihn noch nie knurren gehört. Sie drückt ihm mit Daumen und Zeigefinger die Augen zu. »Es passiert nichts«, sagt sie.
    Ich gehe um sie herum und schlage sie auf den Rücken, auf die Schultern und auf den Kopf, abwechselnd mit dem Stab und mit der flachen Hand. Ich schlage mittelfest und sage dazu meinen Satz: »Ich bin die schwarze Flocke, dunkler Schnee, der alles bedeckt.« Neunmal sage ich den Satz, dann dreimal, dann noch einmal dreimal, mit ein wenig Abstand dazwischen. Das ist das Ritual.
    Lara zuckt ein bisschen, sonst nichts. Longbottom bellt am Schluss. Sie schließt die Hand um seine Schnauze. Ich sage, dass es vorbei ist.
    Sie fragt, ob sie noch einmal die Cuculla anfassen darf. Ich halte ihr den Ärmel hin. Ihre Finger machen wieder diese ganz kleinen Bewegungen. »Flocke«, sagt sie, »alle glauben, es heißt Glocke.«
     
    Ich öffne den DVD-Player. Das Bild mit der weißen Brühe und den Blasen verschwindet. Ich nehme die DVD raus und stecke sie unter die gelbe. Das ist der wichtigste Teil, sage ich. Ich schlüpfe aus der Cuculla und falte sie zusammen. Dann ziehe ich das Heft mit dem braunen Umschlag und die vier Papierblätter aus meiner Jackentasche. »Das Heft mit den Pelikan-Geschichten«, sage ich, »das gehört auch dazu. Und die Liste.« Ich schieb die vier Dinge in eine dunkelblaue Umhängetasche aus Planenstoff. Sie trägt den Aufdruck Apollo. Apollo ist der Gott der Jugend und der Dichtung, sage ich. Lara fragt, ob ich ihr eine Pelikan-Geschichte vorlese, und ich sage, vielleicht später.
    Nein, ihr geschieht nichts, sage ich, das ist jetzt alles vorbei, und ich sage, sie soll den anderen dreien ausrichten, dass ihnen das Gleiche nicht mehr passieren wird. »Ihr seid die vier, die Bescheid gewusst haben«, sage ich, »und ich bin die schwarze Flocke.« Dann sage ich, dass ich tun werde, was Flocken meistens tun – mich auflösen.
    Ich hänge ihr die Tasche um und lasse sie den Auftrag wiederholen. Sie kennt sich aus. »Ich spüre gar nichts mehr«, sagt sie. Longbottom schaut mich misstrauisch an.
    Bevor wir gehen, hole ich das Hattori-Hanzo-Schwert aus der Werkzeuglade, lege es auf die Werkbank und schlage das Handtuch zurück, in das ich es gewickelt habe. »Jetzt ist es perfekt«, sage ich. Ich erzähle
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