Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Matrazenhaus

Das Matrazenhaus

Titel: Das Matrazenhaus
Autoren: Paulus Hochgatterer
Vom Netzwerk:
gehen wir«, sagt er, »wie in alten Zeiten.« Die Verrückte sitzt auf der Couch und glotzt nur. Die Treppe hoch, das Schlafzimmer, das Luftanhalten, die Garderobe, das Bild mit dem Igel und der Eule, das Schlüsselloch. »Sperr du auf«, sagt er. Ich laufe durch die Zimmer, als würde ich mich umschauen. Dann sage ich: »Gehen wir ins weiße.« »Wohin auch immer du willst«, sagt er. Er lehnt am Türstock. Ich ziehe mich aus. Ich achte darauf, dass die Kameras ausgeschaltet sind. Was jetzt passiert, gehört nur mir. Ich zeige mit dem Finger zwischen meine Beine und sage: »Ich habe mich extra für dich glatt gemacht.« Ich gehe auf ihn zu und lasse ihn hinschauen. Er legt seine Hand auf mich. Es ist mir total egal. Er will sich hinlegen. Das heißt, die Weichmacher tun ihre Wirkung.
    Er liegt auf dem Rücken, ich stecke an ihm. Ich beuge mich nach vorne und ein wenig nach rechts und ziehe das Hattori-Hanzo-Schwert unter der weißen Matratze hervor. »Ich bin dein Kaishaku-Nin«, sage ich. Er blickt mich aus großen Augen an und versteht gar nichts. Ich hebe das Schwert griffoben hoch, so weit ich kann, und stoße es senkrecht nach unten. Es gibt einen knirschenden Laut, als die Spitze die Wirbelsäule trifft. Er ächzt kurz auf. Ich führe die Klinge in einem Bogen zu seiner Leber hinauf, zügig und rasch, dann ziehe ich sie aus seinem Körper. In diesem Augenblick kommt das Blut. Ich beuge mich vor und stoße meine Hand mit gestreckten Fingern gegen seine Brust. Er lächelt schief und versucht ein Bein zu heben. Es geht nicht. Ich kopple mich von ihm ab und stehe auf. Ich schaue ihn nicht mehr an. Ich sage gar nichts.
     
    »Was soll das?«, fragt er. Sie antwortet nicht. Er greift nach der DVD-Box, steht auf und geht aus dem Zimmer.
    Sie nimmt eins der geweihten Eier vom Tablett, klopft es gegen die Tischplatte und beginnt es zu schälen. Sie spürt eine Kälte am Unterkiefer, die schon lange nicht da war. Sie streut Salz auf das Ei und beißt ab. Es schmeckt ihr. Das wundert sie.
    Er ruft sie, als sie dabei ist, sich Schinken abzuschneiden. Sie geht ins Schlafzimmer. »Ich habe etwas gefunden«, sagt er und hält eine DVD hoch, »Eating Sweet Brownie .«
     
    Einem Mädchen wird ein orangefarbener Schlauch in den Leib gesteckt. So beginnt der Film.
    Blasen auf einer weißen Brühe. Ein Betondeckel. Ein paar Grashalme. So endet er.
     
    Sie läuft ins Badezimmer, zerschlägt das Zahnputzglas im Waschbecken und greift nach der größten Glasscherbe. Sie zieht sie von der Ellenbeuge zum Handgelenk, wieder und wieder. Dabei schreit sie.
     

Zweiundzwanzig
    »Weg da!«, sagte er und hatte eine Autorität in der Stimme wie noch nie. Horn trat einen Schritt zurück und lehnte sich neben Irene ans Fensterbrett.
    Tobias öffnete zwei Brechampullen, eine mit Lösungsmittel, die andere mit einem weißen Pulver. Er zog das Lösungsmittel in einer Fünf-Milliliter-Spritze auf und ließ es langsam über das Pulver fließen. Er stach durch den Verschlussstöpsel eines Fläschchens mit Kochsalzlösung und spritzte die fertige Mischung hinein. Dann schloss er ein Infusionsbesteck an und drückte das Fläschchen Irene in die Hand. »In Augenhöhe«, sagte er. Sie reckte gehorsam den Arm hoch.
    Er hob die Katze von der Bank und legte sie auf den Küchentisch. Sie versuchte zu flüchten. Er fixierte sie mit dem Unterarm. »Das sieht brutal aus«, sagte Irene. Sie müsse ja nicht herschauen, antwortete Tobias. Er steckte eine Subcutannadel an das Infusionsbesteck, zog die Schutzkappe ab, hob mit zwei Fingern eine Falte am Nacken der Katze hoch und stach hinein. Die Katze fauchte. »Auf«, sagte er. Horn drehte am Verschlussrädchen. »Langsam oder rasch?«, fragte er. »Rasch«, sagte Tobias. Er kraulte die Katze zwischen den Ohren und lockerte vorsichtig den Druck seines Arms. Er kann Auto fahren, ohne dass ich eine Ahnung davon habe, und er weiß, wie man eine Infusion zubereitet, dachte er.
    »Woher kannst du das?«, fragte Irene. »Kiffer müssen das können«, erwiderte Tobias, »sie brauchen es später ja.« »Sei nicht so blöd«, sagte Horn.
    »Wer ist da blöd?!«
    Noch in der Tierklinik habe man ihm die Handgriffe gezeigt, sagte Tobias, gleich nach dem MR. Der Tierarzt habe sich die Bilder angesehen, habe gesagt, was zu sagen gewesen sei, auch, dass man das Wachstum selbst nicht aufhalten, sondern nur die Hirnschwellung drum herum reduzieren könne, zum Beispiel mit Cortison-Infusionen. Er habe gefragt, wie das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher