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Das Matrazenhaus

Das Matrazenhaus

Titel: Das Matrazenhaus
Autoren: Paulus Hochgatterer
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Fahrzeugbesitzererhebung laufe übrigens noch, erzählte Mauritz, es gebe die üblichen feiertagsbedingten Schwierigkeiten. Abgesehen davon könne man mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Wagen gestohlen sei. »Warum?«, fragte Kovacs.
    »Stellst du dein eigenes Auto in einem Spielzeuggeschäft ab?«
    »Einen apfelgrünen Lamborghini Miura«, sagte Kovacs.
    Die Zahl der Schaulustigen hielt sich in Grenzen. Der junge Jürgensen ging auf und ab und versuchte streng zu wirken. Als er Kovacs und Mauritz kommen sah, zog er einen Zettel aus der Jackentasche. Erstens: Die Besitzer des Geschäftes seien auf dem Rückweg aus einem Italienurlaub und würden am Abend eintreffen, das habe er bei den Nachbarn erhoben, und zweitens: Das Computersystem funktioniere zwar noch immer nicht, sagte er, aber einer der Passanten habe das Fahrzeug identifiziert. Es gehöre einem gewissen Kurt Frühwald, einem Versicherungsmakler, dessen Frau unter einer Lähmung an den Beinen leide; daher diese Rollstuhlplattform hinten drin. Wenn er Genaueres wissen wolle – er habe den Mann gebeten, zu warten.
    Der Mann saß im Inneren des Geschäftes auf einem blauen Kinderstuhl und mühte sich mit einem Steckspiel aus Holz ab. Er sei ganz sicher, dass es sich um Kurt Frühwalds Wagen handle, sagte er. Er habe bei Frühwald vor gut einer Woche seine beiden Pferde versichern lassen und sei zu diesem Zweck mit ihm zum Reitstall gefahren, in genau diesem senfgelben Auto, um dort den Fachgutachter der Versicherung zu treffen. Frühwald habe ihm von der Rollstuhlpflichtigkeit seiner Frau erzählt und auch davon, dass sie derzeit nicht ganz richtig im Kopf sei. »Haben Sie das alles aufgenommen?«, fragte Kovacs. Jürgensen nickte eifrig. Der Mann blickte auf das Geduldspiel in seiner Hand, schien einen Augenblick lang zu überlegen, ob er es einstecken solle, legte es dann aber ins Regal zurück. Kein Mensch denkt darüber nach, dass man auch Pferde versichern muss, dachte Kovacs. Dann griff er zum Telefon.
    Wobei er ihn gerade störe?
    Beim Ostereierbemalen – na sicher!
    Er sei doch Experte für Menschen, die nicht richtig im Kopf seien.
    Was er mache, heiße Vorbeireden? Er verstehe. Ob er jemanden mit dem Namen Frühwald kenne. Genau, Frau gelähmt.
    Und ob? Was heiße und ob ?
    Warum er all das frage? Ob er wisse, welches Auto Frühwald fahre.
    Gegenfragen seien unzulässig? Nicht für die Polizei.
    Einen senfgelben Kleintransporter. Warum nur anderen Menschen ganz locker das Wort senfgelb einfalle.
    Psycho-was-Anfälle? Gut, müsse er nicht verstehen. Wer? Die Frau? Der Mann sei wie? Eingeengt?
    Was habe er mit ihr gemacht? Magnetverschlüsse? Er verstehe kein Wort.
    Ein Unfall? Vor elf Jahren? Wo?
    Eine schwierige Beziehung zu Kindern?
    »Über den Rand des Planschbeckens, sagst du? … Blumentröge aus Waschbeton? Die sind weg.«
    Kovacs sah die Pirateninsel vor sich, die Hasen mit den abgerissenen Ohren und die bunten Plastikfetzen, die der Wind über den Rasen trieb. Er stellte sich diese Frau mit der Prinz-Eisenherz-Frisur vor, wie sie Knöpfe an Puppenkleider nähte, wie sie Burgen baute und wie sie Kinder beim Doktorspielen erwischte und dabei ziemlich cool blieb. Am Ende stellte er sich vor, wie sie den Kindern im Garten nachlief, mitten durch das Planschbecken, und dabei lachte und schrie.
    Ja, nur das Auto. Kurt Frühwald selbst sei weg.
    Ob er irgendeine Idee habe …? Ja? Was mache er?
    Noch einmal, bitte!
     
    Biologen seien zwangsläufig freundliche Menschen, sagte Veronika Bayer, während sie das Bootshaus aufschloss. Jede Menge frische Luft und der regelmäßige Umgang mit Pflanzen und Tieren, die einen nie unter Druck brächten – das lasse einen auch lächeln, wenn man am Karsamstag früh aus dem Bett geholt werde. Sie war eine große Frau mit breiten Schultern und markanter Nase. Ihr eigentliches Spezialgebiet seien Eulen, erzählte sie, doch in letzter Zeit beschäftige sie sich vor allem mit den Anomalien im Vogelbestand, mit Irrgästen aus dem Osten, Seidenschwänzen zum Beispiel, mit den Auswirkungen der Ansiedlung von Steinadlern im Lungau und mit Zugsverweigerern. »Womit?«, fragte Kovacs. »Mit Zugsverweigerern«, sagte sie. Es gebe immer wieder Einzelindividuen oder kleine Gruppen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht am Vogelzug teilnähmen. Die meisten von ihnen überstünden den Winter nicht, einige entwickelten jedoch erstaunliche adaptive Mechanismen. »Sie holen sie nicht ins Haus?«,
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