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Das Matrazenhaus

Das Matrazenhaus

Titel: Das Matrazenhaus
Autoren: Paulus Hochgatterer
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aber auch höher qualifizierte Kräfte an der Hand, Software-Entwickler, IT-Ingenieure oder Experten in Objekt- und Personenschutz. Falls er so etwas brauche, könne er jemanden buchen, der ihm eine Theaterbühne aufbaue, eine Rede schreibe oder unter Wasser einen Haikäfig zusammenschweiße. Ich möchte den Haikäfig, dachte Horn. Dann fragte er, woher er all die Leute habe, und der Mann sagte, aus der ganzen Welt.
     
    Horn machte kehrt, betrat die Leitstelle und griff zum Telefon. Leuweritz hob ab. »Operierst du gar nicht?«, fragte Horn.
    »Rufst du mich an, um dich an der Faulheit der Unfallchirurgen zu freuen?«
    »Noch schlimmer. Ihr habt doch sicher Schnaps an eurer Abteilung?«
    »Na, was heißt!?«, sagte Leuweritz. Horn legte auf. In der Luft lag ein Rest von Andrea Emlers Parfum – Miyake, wenn er sich recht erinnerte. Ein Halbsatz von Leuweritz fiel ihm ein: Die Spitze des Zaunpfahles, die den Herzbeutel berührt.
     

Neunzehn
    Eine gelbe Playmobil-Insel mit Palmen drauf war das Erste, was er sah. Sie lag auf dem Waschbetonpflaster vor dem Portal, wenige Meter von der Gartenmauer entfernt. Sprünge verliefen vom Rand zur Mitte und ein keilförmiges Stück war herausgebrochen. Offenbar war jemand draufgetreten. In den Kriechwacholderbüschen seitlich des Zugangsweges hingen ein Waschbär aus Plüsch und ein rotes Puppenbett. Ludwig Kovacs hob den Waschbären auf und nahm ihn mit.
    Neben dem Eingangstor standen zwei Frauen. Die eine, hager, grauhaarig, die Frisur etwas seltsam, weinte. Die andere, klein und rund, in einem mintgrünen Popeline-Mantel, hielt ihre Hände und sprach begütigend auf sie ein. »Wer von Ihnen hat angerufen?«, fragte Kovacs. »Ich«, sagte die kleinere, »sind Sie von der Polizei?« Er nickte. »Und wer sind Sie?«, fragte er. Die hagere Frau schluchzte auf. Das sei Lea Wirth, die Leiterin des Kindergartens, sagte die andere. Sie habe die Sache von ihr erfahren.
    Der Anruf beim Journaldienst der Further Polizei war um sechs Uhr vierunddreißig eingelangt und ordnungsgemäß aufgezeichnet worden. Sie heiße Erika Oleschowsky, hatte die Frau gesagt, und sei eine notorische Frühaufsteherin, egal, ob es sich um einen Wochentag handle, um einen Sonntag oder eben um Karsamstag. Sie bewohne eines der Reihenhäuser in der Zsigmondygasse, jenes mit der Nummer achtzehn, und habe von ihrem Schlafzimmer aus einen direkten Blick auf die Hinterseite des städtischen Kindergartens, auf den Spielplatz und auf die Terrasse. Als sie am Morgen auf den Balkon getreten sei, habe sie anfangs lediglich das unbestimmte Gefühl gehabt, es sei etwas anders als sonst. Erst dann habe sie gesehen, dass sämtliche Seile am Spielplatzklettergerüst durchgeschnitten gewesen seien. Strickleitern, Schaukelsitze, Ringe – alles sei auf dem Boden gelegen. Über den Rasen habe der Wind eine Menge bunter Fetzen geweht, unregelmäßig geformt, von unterschiedlicher Größe; sie habe sie nicht identifizieren können. Schließlich sei der Ausgang zur Terrasse sperrangelweit offen gestanden. Da alles nach einem Einbruch ausgesehen habe, habe sie sofort zum Telefon gegriffen.
    Jürgensen, ein absoluter Neuling im Dienst, hatte in seiner Überforderung Töllmann angerufen und Töllmann hatte gesagt, da gehe es um Kinder, folglich sei die Zuständigkeit klar.
    Ludwig Kovacs hatte sich aus Marlenes Umarmung gerollt, ihr einen Speicheltropfen von der Wange gewischt und sich aus der Wohnung gestohlen. Im Stiegenhaus war er kurz stehen geblieben, hatte an Charlotte gedacht, die auf der Galerie schlief, und aus unerfindlichen Gründen die feinen Äderchen auf Marlenes Brüsten vor Augen gehabt. Er hatte sich wohl gefühlt und das hatte ihn gewundert. Es war immerhin Karsamstag, zeitig am Morgen, und das Frühstück zu dritt konnte er vergessen.
    »Soll ich aufsperren?«, fragte Lea Wirth. Sie hatte den Schlüssel auf der flachen Hand liegen. Irgendwie sieht sie aus wie ein geschrumpfter Prinz Eisenherz, dachte Kovacs. Er griff nach dem Arm der Kindergärtnerin und führte sie zur Tür. Ja, sie solle bitte aufsperren, sagte er. Kovacs spürte, wie es sie schüttelte, nachdem sie den Schlüssel ins Schloss gesteckt hatte. »Es ist offen«, sagte sie, »warum bitte ist offen?!« Er sagte nichts und zog die Tür auf.
    Im Vorraum lagen nebeneinander zwei zertrümmerte Waschbecken, mehrere umgekippte Garderobenelemente und eine große, braune Bodenvase mit Weidenzweigen. Lea Wirth schnappte nach Luft. »Halten Sie es aus?«,
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