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Das Matrazenhaus

Das Matrazenhaus

Titel: Das Matrazenhaus
Autoren: Paulus Hochgatterer
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fragte Kovacs. Sie starrte mit offenem Mund in den Raum und machte winzige kreisende Handbewegungen. Er ließ sie los und stellte eines der Garderobenelemente auf. »Setzen Sie sich«, sagte er, »Frau Oleschowsky wird bei Ihnen bleiben.« Er fragte, wie viele Räume es insgesamt gebe, und Erika Oleschowsky sagte, zwei Gruppenräume, das Büro, die Waschräume, einen Besprechungsraum, einen Ruheraum für die Kleinen. Lea Wirth saß da und zitterte.
    Mauritz hob gleich ab. »Wer stört?«, fragte er. »Na wer?«, sagte Kovacs. Ihm sei klar, dass er vermutlich gerade vor dem zweiten Spiegelei sitze und sich mit seiner Frau darüber freue, dass Nikolaus endlich eingeschlafen sei, aber es sehe leider nach einem gewissen Spurensicherungsbedarf aus. Ob es sich vielleicht wieder um ein Baugerüst handle, fragte Mauritz und Kovacs sagte, nein, um einen Kindergarten, er müsse ihn enttäuschen, lupenrein ebenerdig, vier Stufen zum Haupteingang, aber selbst da gebe es eine behindertengerechte Auffahrtsrampe.
    »Darf ich den Sportteil noch zu Ende lesen?«
    »Nein«, sagte Kovacs, und er solle das Absperrband und den Reserveakku für die Kamera nicht vergessen. »Blut?«, fragte Mauritz. Soweit er es bisher beurteilen könne, kein Blut, sondern nur viele zu Bruch gegangene Dinge, erwiderte Kovacs. »Wer macht einen Kindergarten kaputt?«, fragte Mauritz.
    Kovacs ging langsam von Tür zu Tür. Es war, als ob eine Windhose durch die Räume gezogen wäre oder ein Trupp Hooligans. Umgekippte Regale, Schränke, aus denen der Inhalt herausgefegt worden war, entleerte Duplo- und Lego-Kartons, von der Wand gefetzte Zeichnungen, ein zertretenes Piratenschiff mit echter Totenkopfflagge, eine Hasenfamilie aus dunkelgrauem Cordsamt, der man alle Ohren abgerissen hatte. Im Waschraum hing das dritte Waschbecken an seiner linken Verankerung schräg nach unten. Die Spiegel waren zerschlagen, der Kinderhocker, der offenbar als Werkzeug benutzt worden war, lag neben der Tür. Lediglich im Büro und Besprechungsraum wirkte alles unberührt. Zwei Ordner mit der Aufschrift Personal lagen auf dem Schreibtisch. Ein Forsythienzweig, auf dem einige bemalte Ostereier hingen, steckte in einem Wasserkrug.
    »Die habe ich aus dem Garten«, sagte Kovacs und hielt Lea Wirth mehrere bunte Kunststofffetzen hin, »können Sie damit etwas anfangen?« Die Kindergärtnerin nickte. »Das ist von einem unserer Planschbecken«, sagte sie, »aber die werden üblicherweise erst Mitte Mai aufgestellt.« Es sei zerschnitten worden, sagte Kovacs, am ehesten mit einem Stanley-Messer. Lea Wirth dachte nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Was ist los?«, fragte er. Nichts, sagte sie, die Planschbecken lägen zusammengefaltet im Gartenabstellraum, hinter der Schlauchrolle und den Tontöpfen, kaum jemand wisse das. Ob der Raum ebenfalls aufgebrochen worden sei. »Aufgebrochen? Wieso aufgebrochen?« »Na, was sonst?«, fragte Lea Wirth. An der Terrassentür gebe es keine Einbruchsspuren, sagte Kovacs, und die Eingangstür habe sie ja selbst gesehen. »Haben Einbrecher Schlüssel?«, fragte sie. Nachschlüssel, Dietriche, alles, sagte er und Erika Oleschowsky fragte, welchen Vogel ein Mensch haben müsse, der ein Planschbecken zerschneide.
    Kovacs bat die Oleschowsky, ihnen einen Kaffee zu bringen. In Wahrheit gingen ihm ihre Neugier und ihr grüner Mantel auf die Nerven.
    »Kennen Sie eigentlich Felix Szigeti?«, fragte er. Natürlich kenne sie ihn, sagte Lea Wirth, und auch Britta Kern, wenn er darauf hinauswolle, nur Sen Wu nicht, der habe den Zweier-Kindergarten in Furth Nord besucht. Felix und Britta seien jedenfalls entzückende Kinder gewesen, beide einigermaßen versponnen, Felix manchmal auch ein wenig impulsiv. Nur ein Mensch mit einer schweren psychischen Störung könne ihres Erachtens solche Kinder schlagen. Sie zögerte einen Moment. »Sie glauben doch nicht, dass das eine …« »Nein, glaube ich nicht«, sagte Kovacs.
    Er stellte die typischen Polizeifragen, obwohl er wusste, dass sie zu nichts führen würden: Gibt es jemanden, dem Sie das zutrauen? Wurden Sie oder Ihre Kolleginnen in letzter Zeit bedroht? Vielleicht früher einmal? Gab es unangenehme Auftritte mit Eltern? Mit Großeltern? Fühlen sich Nachbarn durch den Lärm, den die Kinder verursachen, gestört? Lea Wirth schüttelte in einem fort den Kopf. Die letzte Meinungsverschiedenheit habe es vor einer Woche gegeben, sagte sie schließlich. Ein viereinhalbjähriger Bub habe einem gleichaltrigen
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