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Das Matrazenhaus

Das Matrazenhaus

Titel: Das Matrazenhaus
Autoren: Paulus Hochgatterer
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ihr, wie schwierig es war, das Stumpfe an der Außenkrümmung wegzukriegen, wie die Sache mit der Lötlampe nicht funktioniert hat und wie am Ende der Ölschleifstein die Lösung war. »Innen und außen gleich scharf«, sage ich und ergreife ihre Hand. »Willst du?«, frage ich. Sie zuckt zurück und schüttelt den Kopf. Sie fragt, ob sie das Schwert auch mitnehmen muss, und ich sage, nein, muss sie nicht.
     
    Draußen stupst Longbottom mehrmals die Apollo-Tasche an. »Er kennt sie nicht«, sagt Lara. Dann beginnt er wild am Holunderbusch herumzuschnüffeln, der an der Längsseite der Halle wächst. »Er riecht Findus, den Wombat«, sage ich. »Blödsinn«, sagt sie.
     

Einundzwanzig
    Er hat ihr vorne im Chorgestühl einen Platz reserviert, wenige Meter vom Orchester entfernt. Wenn die breitärschigen Pfarrgemeinderäte, die nichts tun als große Reden schwingen, da sitzen dürfen, dann darf sie es auch, hat er gesagt. Irgendjemand wird sich schon das Maul zerreißen, aber das ist ihr egal. Er ist in letzter Sekunde aufgetaucht, wie immer, in Wahrheit bereits während der ersten Töne des Mozart-Requiems, einen iPod-Stöpsel im linken Ohr, und sie hat sich für ihn geniert, als wäre sie seine Ehefrau. »Raus damit!«, hat sie ihm zugeraunt, und er hat gegrinst, Spirit on the Water gesummt und ihr gehorcht, erstmals.
    Die Sache insgesamt war anfangs umstritten gewesen und hatte die Fundamentalisten in der Gemeinde aus ihren Löchern gelockt. Sogar die Zeitungen hatten darüber berichtet: Kirche als Marktplatz? Erst als Clemens in einem Rundschreiben alles auf sich zentriert und gesagt hatte, für ihn gebe es nichts Schöneres, als in einer wirklich vollen Kirche Auferstehung zu feiern, er finde daher ein Konzert vor der Osternachtsfeier eine hervorragende Idee, hatten die Kritiker aufgegeben.
    »Kennst du die Solistin?«, hat sie ihn vor dem Mittelstück, einer Cellosonate von Benjamin Britten, gefragt. »Und ob«, hat er gesagt und gegrinst. Das Stück, zwei kurze wilde Sätze, erst Pizzicati, die geklungen haben wie winzige Explosionen, dann eine Folge kriegerischer Marschrhythmen, hat sie beinahe überrollt. Die Cellistin ist mit glühenden Wangen dagesessen, die Zungenspitze zwischen den Zähnen, und sie hat es wunderbar gefunden, dass jemand mit dermaßen abstehenden Ohren so schön sein kann.
    Es sei die Ehefrau seines Psychiaters, hat er ihr vor dem Bruckner-Te-Deum zugeflüstert. Er habe seine Leute wohl überall sitzen, hat sie geantwortet, und er hat gesagt, sie solle sich doch über die Männer freuen, über den schwarzhaarigen Tenor und diesen bärtigen Bassbariton, der das Tuba mirum gesungen habe, als sei er selbst eine Posaune. Sie hat es versucht, aber es ist nicht recht gelungen. Ich freue mich in Wahrheit nur über ihn, hat sie gedacht und sich dabei höchst verwundbar gefühlt.
    Nach der Speisenweihe drängt sie sich zwischen den Menschen durch zum linken Seitenaltar, um ihren Korb mit dem Schinken und den Eiern zu suchen. Etwas stupst sie in die Kniekehle. Sie denkt, es ist Bauer, und reagiert nicht. Es stupst sie noch einmal. »Lass das, ich suche unser Abendessen«, sagt sie. »Stella.« Sie wendet sich um. Es ist Lara.
    »Hast du auch einen Korb hier vorne?«, fragt sie. Lara schüttelt den Kopf. In der letzten Schulstunde vor den Ferien habe sie, Stella, Frohe Ostern gesagt, sagt sie, und Vielleicht sehen wir uns ja, zum Beispiel am Palmsonntag oder beim Auferstehungskonzert , daher habe sie gewusst, dass sie hier sein werde. Longbottom finde jeden, den er kenne, mit Leichtigkeit. Lara nimmt die Tasche, die sie schräg über dem Oberkörper hängen hat, ab und hält sie Stella Jurmann hin. Apollo, liest sie. Es sagt ihr gar nichts. »Die soll ich dir geben«, sagt Lara. »Was ist das?«, fragt Stella Jurmann.
    »Du sollst erst zu Hause hineinschauen«, sagt Lara.
    »Von wem hast du die Tasche?«
    »Von Fanni.«
    Von welcher Fanni, fragt sie, und Lara sagt, von Susis Schwester. »Unsere Susi?«, fragt Stella Jurmann. Lara nickt und sagt nichts. Stella Jurmann klappt den Deckel der Tasche hoch. »Nein!«, sagt Lara, »bitte nicht!« »Ist schon gut«, sagt Stella Jurmann und legt ihre Hand auf Laras Schulter, »ich schaue erst zu Hause.« Longbottom brummt. Das tut er immer, wenn jemand Lara berührt.
     
    Bauer wartet an der Brüstung der Außentreppe. »Warum brauchst du so lange?«, fragt er. Sie habe das Abendessen gesucht, sagt sie, außerdem habe ihr Lara ein Geschenk
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