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Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou

Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou

Titel: Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou
Autoren: Ulrich Wickert
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nie tun.
    Noch viermal getreten, dann öffnete sich der Weg dem Blick.
    Es war 9  Uhr 15 .
    Monsieur Philippe lag am Ende der Lichtung, das Gesicht nach unten, im Gras. Seine Glieder waren merkwürdig verdreht, der Motor des Citroën lief, seine Hinterräder drehten im Sand eines Grabens durch.
    Glen Stark legte sein Rad auf den Waldboden und sah nach Monsieur Philippe.
    Der war zweimal in die Brust getroffen, atmete aber noch. Stark drehte ihn vorsichtig in Seitenlage, rannte zu dem Wagen und konnte kaum glauben, was er sah. Der Fahrer war über dem Steuer zusammengesunken, der Mann auf dem Beifahrersitz lehnte mit dem Kopf gegen das Fenster, auf der Rückbank lag eine Frau. Er versuchte eine Tür zu öffnen, sie war von innen verriegelt. Mit einem kräftigen Schlag seines rechten Ellenbogens gelang es Stark, das durch Einschüsse zerlöcherte Fenster einzuschlagen. Dann drehte er den Schlüssel im Zündschloss um, der Motor erstarb.
    Der Fahrer war mit einem Kopfschuss getötet worden. Genauso hatte man die beiden anderen hingerichtet. Mit Schüssen durch das Fenster an der linken Tür hinten.
    Es musste eben erst passiert sein.
    Vielleicht versteckt sich der Mörder noch hinter den Bäumen und wartet auf eine gute Gelegenheit, auch ihn umzulegen.
    Er schaute sich um. Niemand war zu sehen.
    Schnell duckte er sich hinter den Wagen. Vielleicht versteckte sich hier irgendwo ein Verrückter und wartete nur darauf, auch auf ihn zu schießen.
    Angst? Ein Mitglied der Royal Air Force hat keine Angst, selbst wenn es längst aus dem aktiven Dienst ausgeschieden ist.
    Immer noch im Schutz des Wagens holte er sein Handy hervor und drückte auf den Notrufknopf. Vergebens. Er hatte keinen Empfang. Glen Stark rannte zu seinem Rad.
    Auf dem iPad sah der Major, dass der Weg zu den Teichen von Corot wesentlich kürzer war als der, den er bisher durch den Wald genommen hatte. Und er führte wieder bergab.
    Also schob er das Rad an, sprang mit dem rechten Fuß auf die Pedale, schwang das linke Bein über den Sattel und fuhr so schnell er konnte den Waldweg entlang.
    Eine Minute später traf er auf dem Parkplatz zwischen den Seen einen Spaziergänger mit seinem Jagdhund. Stark rief ihm schon von weitem zu »au secours – help«, und in seinem schlechten Französisch erklärte er radebrechend, drei Tote und ein Schwerverletzter lägen oben im Wald. Pantomimisch formte er mit seiner rechten Hand eine Pistole.
    Der Spaziergänger holte sein Smartphone um 9  Uhr 19 hervor und rief um Hilfe.

Croissant im Aux Folies
    A ls Jacques seine Zeitungen am Kiosk von Nicolas bezahlte, hörte er hinter sich die kräftige Stimme von Jérôme, dem beliebten Hausarzt von Belleville.
    »Gibst du mir einen Kuss auf den Mund, Valérie?«, fragte er und juchzte lachend.
    »Hör auf mit dem Blödsinn!«, antwortete Valérie und sah gequält zu Jacques. »Nachher glaubt Monsieur le Juge auch noch, wir beide hätten was miteinander.«
    Jacques sah Nicolas, den Mann von Valérie, mit verzweifeltem Lächeln an und drehte sich zu Jérôme: »Den Witz habe ich jetzt sicher zum fünften Mal von dir gehört!«
    »Aber er ist immer noch gut.« Jérôme lachte.
    »Ihr habt es aber auch nicht leicht«, sagte Jacques zu dem Ehepaar im Kiosk, das seit Menschengedenken neben dem Eingang zur Metrostation am Anfang der Rue de Belleville Zeitungen und Zeitschriften verkaufte. Jeden Morgen bis neun Uhr war der Andrang so groß, dass beide zusammen ihre Kunden bedienten.
    Das Paar hatte es wirklich nicht leicht. In den vergangenen fünf Jahren hatte Nicolas es ertragen müssen, wegen seines Vornamens gehänselt zu werden: Nicolas wie der ungeliebte Präsident Nicolas Sarkozy. Der war so unsympathisch, dass er abgewählt wurde.
    Jetzt aber war Valérie dran, hochgenommen zu werden. Denn Valérie hieß auch die zickige Gefährtin des neuen Präsidenten François Hollande. Und was für eine Zicke die war, hatte Jérôme selbst erlebt.
    Das Pikante war, dass François Hollande zusammen mit der ehemaligen Ministerin Ségolène Royal, eine äußerst ehrgeizige, aber dröge Person, vier Kinder gezeugt – und sie dann wegen der schönen Valérie verlassen hatte.
    Deshalb wurde jetzt Valérie Erste Dame im Staate und nicht Ségolène, die fünf Jahre zuvor selbst als Präsidentschaftskandidatin der Sozialisten in den Wahlkampf gezogen war, aber gegen Nicolas Sarkozy verloren hatte. Also ganz schön verworrene Verhältnisse.
    Weil Jérôme es selbst erlebt hatte, wiederholte er
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