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Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou

Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou

Titel: Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou
Autoren: Ulrich Wickert
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Hügel hinab, von wo keine zwanzig Meter entfernt ein Radfahrer auf ihn zukam, wie ein Profi gekleidet in eine hautenge, knielange graue Hose und ein gelbes Trikot mit aufgedruckten schwarzen Hosenträgern.
    Mit gekrümmtem Rücken warf der Mann das volle Gewicht seines Körpers wie ein Pendel auf die rechte, dann auf die linke Pedale.
    Rechts, links. Rechts, links. Rechts, links.
    Philippe Lefèvre japste und hatte keinen Blick für die Umwelt, er schaute stur auf den Waldweg, um größeren Steinen auszuweichen.
    Weil Gao Qiu in Notsituationen stets blitzschnell richtig entschied, hatte er in seinem Gewerbe einen hervorragenden Ruf.
    Die Lage?
    Mohammed sah ihn nicht und war zu Fuß. Auf das Zielobjekt brauchte er jetzt nicht als Erstes zu schießen.
    Dagegen würde sich der Radfahrer an ihn erinnern und könnte mit seinem Tretross schnell fliehen.
    Also zielte Gao Qiu in die Mitte des gelben Trikots und zog zweimal kurz hintereinander ab. Monsieur Philippe fiel vom Rad, stolperte einige Schritte, sackte zusammen und blieb am Anfang der Lichtung kurz vor dem alten Citroën liegen.
    Regungslos.
    Doch das nahm Gao Qiu nur noch aus dem Augenwinkel wahr, er hatte sein Zielobjekt schon ins Visier genommen.
    Mohammed hatte den Doppelknall gehört, den Radfahrer stürzen sehen und dann den Schützen erblickt, der sich eine schwarze Kapuze über den Kopf gezogen hatte. Mohammed rannte zurück in Richtung seines Wagens.
    Es fiel Gao Qiu nicht leicht, den Auftrag noch zu erfüllen.
    Er schoss alle drei Magazine leer, dann hatte er es geschafft.
    Schweißgebadet dachte Gao Qiu, das ist gerade noch mal gut gegangen. Und er notierte in seinem Gedächtnis: Ein viertes Magazin wäre besser gewesen.
    Er zog die Kapuze ab und blickte sich um.
    Immer noch war niemand zu sehen. Er lief quer durch den Wald ins Tal, wo er seine Vespa abgestellt hatte, holte den Helm aus dem Fach unter dem Sitz, verstaute die Pistole und die leeren Magazine darin und fuhr nach Hause. Der Fahrtwind trocknete seinen Schweiß.

Eine Viertelstunde später
    G len Stark hatte einen Kaffee, der ihn stimulieren würde, und eine kleine Karaffe Leitungswasser getrunken. Eine Viertelstunde nach Monsieur Philippe stieg er auf sein Cannondale und wurde vom Wirt des Bistros »La Petite Reine« persönlich auf der Straße verabschiedet. Er schrie ihm »bonne route« hinterher und wies mit einer ausladenden Handbewegung noch einmal in die Richtung zu dem Weg in den Wald von Ville-d’Avray.
    »Das finde ich schon«, rief der englische Major zurück und deutete auf das iPad, das er vor sich an der Lenkstange befestigt hatte. Das GPS -Programm zeigte an, wo er sich gerade befand und wo er hinfahren sollte.
    Als er von der Rue des Petits Bois in die Route de Jardy einbog, raste ein weißer Porsche Cayenne um die Kurve und fuhr ihn fast um. Der Fahrer hielt kaum an der Kreuzung und ließ den Motor aufröhren, als er sah, dass er freie Bahn hatte. Stark schaute ihm nach und verfluchte die aggressiven französischen Autofahrer. Es gab eben einen Unterschied zwischen dem angeberischen Blechkönig und der gefühlvollen »Petite Reine«.
    In der kühlen Waldluft entspannte er sich.
    Die alten Buchen standen weit auseinander und filterten die Sonnenstrahlen zu einem milden Licht. Er hörte Vogelgezwitscher und bedauerte, dass er sich als Junge nie die Mühe gemacht hatte zu lernen, die einzelnen Stimmen zu unterscheiden. Es wäre schön, dachte er, wenn er wüsste, ob ihn da ein Rotkehlchen oder eine Blaumeise begrüßte.
    Der Aufstieg war steiler, als er erwartet hatte, aber das tat ihm jetzt gut. Er schaltete zwei Gänge zurück und trat fest in die Pedale. Ihm wurde warm. Gut für die weitere Fahrt.
    Der Waldweg war nicht geteert und befand sich in einem schlechteren Zustand, als er erwartet hatte. Da muss man aufpassen, dass der Reifen nicht über einen spitzen Stein holpert und man sich ein Loch einfängt. Konzentriert verlagerte Major Stark sein Gewicht auf die Pedale, rechts, links, rechts, links, rechts, links, schaute auf den Weg zehn Meter vor sich und begann heftiger zu atmen.
    Rechts, links, rechts, links. Rechts, links.
    Die Anstrengung weitete seine Lungen, er fühlte sich wohl.
    Rechts, links, rechts, links. Rechts, links.
    Zuerst sah er das Rad von Monsieur Philippe am Rand der kleinen Lichtung liegen und dachte, der wird wohl eine kleine Pause eingelegt haben. Das ist typisch französisch, sagte sich der Engländer, das Rad so achtlos hinzuwerfen. Das würde er
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