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Das Mal der Schlange

Das Mal der Schlange

Titel: Das Mal der Schlange
Autoren: Sophie Oliver
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seinem Rücken spürte er die Hitze. Bald würden ihn die Flammen erreichen. Er hoffte, dass es schnell gehen würde, dass er sterben würde wie ein Krieger, ohne zu schreien. Vorsichtig nahm er Victors und Ilarias Hände in die seinen, den Blick dabei niemals von Emmaline abwendend.
    Er wünschte ihr alles Glück, dieser Welt. Alles Glück, das er nie gehabt hatte.
    Bis zum Ende sahen sie einander an, durch die flirrende Luft, die glühende Holzstückchen aufwirbelte und ihm den Atem nahm. Selbst als er glaubte, den Schmerz nicht mehr auszuhalten, als die Flammen über sein Fleisch leckten, gab sie ihm Kraft.
    Bis er schließlich die Augen schloss und nichts mehr spürte.

    Das Feuer brannte lange. Den ganzen Tag und die ganze Nacht. Als die Sonne ein weiteres Mal aufging an der Küste Istriens, standen die Jäger noch immer unbewegt.
    Nur Emmaline war auf die Knie gesunken und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.
    Sisto sammelte die Asche in eine Kupferurne.
    Ohne ein Wort zu sprechen, drehte die Familie sich um und ging davon. Zurück blieben Emmaline, Nathaniel, Adam, Lilian, Michele und Sisto.
    Sie bestiegen Micheles Boot, und fuhren hinaus auf das Meer, wo sie die Asche verstreuten. Eine Zeit lang trieb sie an der Oberfläche, dann war sie verschwunden.
    Schließlich richtete Sisto das Wort an sie.
    „ Ich werde zurück nach Rom gehen und dort die Familie führen. Meine Zeit zu schlafen ist noch nicht gekommen.“
    Dann sah er auf Adam, „Und ich werde veranlassen, dass man dich in Edinburgh als Oberhaupt einsetzt.“
    Als Adam widersprechen wollte, hob er die Hand, „Du wirst ein guter Anführer werden, Adam MacFarlane, das weiß ich. Nimm Lilian mit und bilde sie aus. Mach eine gute Jägerin aus ihr.“
    „ Was ist mit Nathaniel und Emmaline?“, fragte Adam, „Sollten sie nicht besser Oberhäupter in Edinburgh werden?“
    Nathaniel legte den Arm um Emmalines Schultern und zog sie an sich.
    „ Nein. Wir werden gerne deine Gäste in Edinburgh sein, von Zeit zu Zeit, aber zuerst müssen wir zur Ruhe kommen. Wir möchten nicht innerhalb der Familie leben, sondern unseren eigenen Weg gehen, ich hoffe, ihr versteht das. Sisto hat Recht, du wirst ein gutes Oberhaupt werden, Adam und ich bin stolz darauf, dein Freund zu sein.“
    Er streckte ihm die Hand hin und Adam ergriff sie.

Epilog

    2003
    Edinburgh
    Schottland

    Goldene Sonnenstrahlen fielen senkrecht durch das Loch in der Höhlendecke und wärmten Emmalines ausgestreckte Beine.
    Sie saß auf dem Boden und beobachtete, wie winzige Staubpartikel in der Luft tanzten.
    Seit ihrer Rückkehr vor einigen Wochen hatten sie die Zeit in Nathaniels geheimer Höhle verbracht, ohne das große Stadthaus zu betreten und ohne Kontakt zur Familie aufzunehmen.
    „ Es war eine gute Idee, erst einmal hierher zu kommen“, sagte sie.
    „ Ich weiß. Es ist ein guter Ort, um Frieden zu finden.“
    „ Ich glaube, das habe ich.“
    Er schlang die Arme um seine Knie und stupste sie leicht mit der Schulter an, „Und hast du ihm vergeben?“
    „ Natürlich. Schon in Istrien. Ich brauchte nur eine Weile, um seinen Verlust zu verarbeiten. Tristan war für mich wie ein richtiges Familienmitglied. Ich kann es nicht erklären, es liegt auch nicht nur daran, dass wir dieselben Augen hatten – aber er war wirklich mein Bruder. Und als solchen werde ich ihn immer in Erinnerung behalten.“
    „ Das würde ihm gefallen.“
    Sie schwiegen eine Weile.
    „ Denkst du, er hat es gemacht, weil er sich schuldig fühlte?“
    „ Aye. Tristan hat schreckliche Dinge getan. Aber er war kein schlechter Mensch. Deshalb konnte er so nicht weiterleben. Er wusste, dass auch er gehen musste, wenn alles zu Ende sein sollte.“
    „ Was denkst du, wo er jetzt ist?“
    „ Ich weiß es nicht. Aber ich bin mir sicher, er ist an einem Ort, an dem er glücklich ist. Vielleicht sehen wir ihn eines Tages dort wieder.“
    „ Das wäre schön“, sagte Emmaline, „Ihn und alle, die wir lieben.“
    In diesem Augenblick dachte sie an ihre Freundin Amelia. Vor zweiundvierzig Jahren war es ihr unmöglich erschienen, dass es für sie jemals eine Zeit des Glücks geben könnte, mit dem Mann, den sie liebte. Doch Amelia, mit der Weisheit ihres Alters, hatte es ihr vorhergesagt.
    Und nun war das Schicksal gut zu ihr.
    Wenn sie an Nathaniels Seite war, fühlte sie sich vollständig. Und endlich durften sie ihre gemeinsame Zeit zu genießen.
    Sie nahm seine Hand und zog sie an ihre Lippen. „Wohin gehen
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